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Endlich mal leere Wartezimmer

Jeder zweite Arzt streikt. Die Arbeitsverweigerung der Weißkittel soll noch bis Freitag dauern. Gesundheitssenatorin fordert, die Proteste nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen

von GITTE DIENER und FELIX LEE

Wer sich in diesen Tagen ein Grippevirus einfängt, hat noch üblere Karten, als die Krankheit an sich schon mit sich bringt. Denn in mehr als drei Vierteln der rund 3.000 Arztpraxen gibt es seit gestern für Spontankranke keinen Termin mehr. Der Grund: Jeder zweite Arzt dieser Stadt befindet sich im Streik. Bis einschließlich Freitag ist die medizinische Versorgung nur in Notfällen gewährleistet.

Zum Streik aufgerufen hatte das Bündnis Berliner Kassenärzte (BBK). „Wir sind von der Teilnehmerzahl total überwältigt“, sagte Ines Chop, Leiterin der Berliner Geschäftsstelle des Hartmannbunds, der mitgliederstärksten Ärzteorganisation. Dies zeige, wie ernst es um die Lage der Ärzte bestellt sei, ergänzte BBK-Sprecher Wolfgang Mitlehner. Auch die Kassenärztliche Vereinigung unterstützt das Anliegen der streikenden Ärzte.

Grund für den Protest ist in erster Linie die Gesundheitsreform im Bund. Die Mediziner kritisieren, dass ihre Leistung nach wie vor nicht direkt, sondern über ein kompliziertes Verteilungssystem vergütet werden soll. Die Ärzte befürchten, dass die Honorare weiter sinken.

Bislang gilt, dass die Krankenkassen für jedes Mitglied – ob krank oder gesund – eine Gesamtvergütung, die sogenannte Kopfpauschale, errechnen und diese den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) überweisen. Diese errechnen die Honorare der Ärzte. Wie viel Geld ein niedergelassener Arzt bekommt, hängt weniger davon ab, wie viele Kranke er behandelt hat, als davon, wie finanzstark die örtlichen Krankenkassen sind. Je weniger die Kassen von ihren Mitgliedern einnehmen, desto weniger ist die Leistung des Arztes wert. Zudem ist der Honorartopf der KV gedeckelt. Die Mediziner erhalten pro Leistung Punkte gutgeschrieben. Je mehr die Ärzte insgesamt arbeiten, desto weniger ist der einzelne Punkt wert. Viele Ärzte monieren, sie würden damit ein Drittel ihrer Arbeit quasi unentgeltlich leisten.

Die Berliner Mediziner verdienen im Bundesvergleich am wenigsten. Aufgrund der geringen Wirtschaftskraft nehmen die Kassen hier am wenigsten von ihren Mitgliedern ein. Daher bekommen die Ärzte auch für die gleiche Leistung 30 bis 40 Prozent weniger als ihre Kollegen im Westen, sagt die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung, Annette Kurth. Zugleich sei die Krankheitsrate in Berlin besonders hoch. Deshalb sei „der Frust in Berlin besonders groß“.

Der dreitägige Streik in Berlin ist Teil einer bundesweiten Aktion des Hartmannbundes. Der will bis zur Verabschiedung der Reform im März den Protest in anderen Regionen Deutschlands fortführen.

Berlins Patientenbeauftragte Karin Stötzner kritisiert den Ausstand scharf. Bei der Gesundheitsreform gehe es um Verteilungskämpfe innerhalb der Gruppen im Gesundheitswesen. Der Protest dürfe daher nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden, sagte Stötzner. Dem schloss sich Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (PDS) an. Sie werde nicht hinnehmen, dass Versicherte Leistungen nicht erhalten, auf die sie einen Rechtsanspruch haben.

Auch unter den Ärzten sind Streikgegner. Der Allgemeinmediziner Wilhelm Breitenbürger fordert zwar eine gerechtere Gebührenordnung, doch hält er nichts davon, seine Praxis zu schließen: „Den Streikenden geht es bloß um mehr Geld – allerdings nicht für die Gesamtheit“, kritisiert Breitenbürger seine Kollegen. Ein Nettoverdienst von 2.300 Euro sei grundsätzlich „völlig ausreichend“.

Infos über Notfallversorgung erteilt die Kassenärztliche Vereinigung telefonisch unter (0 30) 31 00 31

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