: Lieber junge Frauen als alte Männer
GROSSBRITANNIEN Premierminister David Cameron befördert den Großteil der „alten Garde“ der Konservativen aufs Altenteil. Das Ziel: mit Verjüngung und Verweiblichung die Wahlen 2015 gewinnen
DUBLIN taz | Großbritanniens Establishment hat sein Herz für die Frauen entdeckt. Am Montag ebnete die Generalsynode der Church of England, der anglikanischen Staatskirche, den Weg für Bischöfinnen. Einen Tag später verdoppelte der konservative Premierminister David Cameron die Zahl der Frauen in seinem Kabinett auf sechs. Das ist immerhin mehr als ein Viertel und ein konservativer Rekordwert.
Mit seiner umfassenden Kabinettsumbildung hat Cameron sein Team für die Wahlen im Mai 2015 aufgestellt. Es ging ihm dabei nicht vorrangig um neue politische Ideen oder bessere Kompetenzen, sondern ums Image. Die Tories galten bisher als „male, pale and stale“ – männlich, weiß und abgestanden. Cameron wollte die Regierung attraktiver machen. Mit Umweltministerin Liz Truss, bisher Staatssekretärin im Bildungsministerium, Bildungsministerin Nicky Morgan und Arbeitsministerin Esther McVey beförderte er drei Frauen in hohe Regierungsämter, die diesen Zweck erfüllen sollen.
Morgans Vorgänger als Bildungsminister, Michael Gove, war höchst umstritten, nachdem er von den Lehrern eine Rückkehr zu traditionellen Unterrichtsmethoden verlangt hatte und sich die Feindschaft der Lehrergewerkschaften zuzog. Er wird nun konservativer Fraktionsführer im Unterhaus. Das erscheint wie eine Degradierung, weil er damit nicht mehr dem Kabinett angehört. Doch ihm wird eine zentrale Rolle im Wahlkampf zufallen. Cameron erwartet von Gove, dass er die Parteidisziplin durchsetzt und auch die europafeindlichen Hinterbänkler zur Räson bringt.
Mit der Beförderung des bisherigen Verteidigungsministers Philip Hammond zum Außenminister hat er denen auf den ersten Blick ein Zugeständnis gemacht. Hammond ist Euroskeptiker und wird für Großbritanniens Austritt aus der EU stimmen, falls die Regierung die angestrebten Reformen wie Einwanderungskontrolle und Reduzierung der EU-Befugnisse nicht durchsetzen kann. Manche Kommentatoren interpretieren Hammonds Ernennung als eine Kampfansage an die europafeindliche Ukip, die bei den Europa- und Kommunalwahlen im Mai erheblich zugelegt hatte. Doch Hammonds Vorgänger William Hague war ebenso EU-kritisch.
Hague wird nun im Alter von 53 Parlamentspräsident und eine Art Elder Statesman. Aber auch seine politische Karriere begann früh. Er hatte mit 16 Jahren seinen großen Auftritt mit einer Rede auf einem Tory-Parteitag, in der er Margaret Thatcher erklärte, wie man richtig regiert. Er selbst wurde im Jahr 1997 nach dem Wahlsieg Tony Blairs Parteichef, führte die Konservativen 2001 in eine erneute verheerende Niederlage und war dann mit 40 Jahren der jüngste Ex-Parteichef der britischen Geschichte. Als britischer Außenminister nach dem Regierungswechsel 2010 blieb er blass. Zum Amtsantritt hatte er getönt, dass Großbritannien „neuen globalen Einfluss“ erlangen werde, doch er erweckte zuletzt immer mehr den Eindruck, dass er die Lust an der Politik verloren habe. Hague wird bei den Parlamentswahlen im kommenden Mai auch nicht mehr als Abgeordneter kandidieren, sondern sich der Schriftstellerei widmen. „Er ist nicht nur ein erstklassiger Außenminister gewesen, sondern auch ein enger Vertrauter, ein kluger Berater und ein großartiger Freund“, sagte Cameron. Hague hatte 1997 die Wahl des Parteichefs gegen Ken Clarke gewonnen, den einzigen offen proeuropäischen Tory von Rang. Der geht nun mit 74 Jahren in Rente, nachdem er 44 Jahre im Unterhaus saß, 20 davon als Minister. Unter Thatcher und ihrem Nachfolger John Major war Clarke unter anderem Innen- und Finanzminister, zuletzt Minister ohne Geschäftsbereich.
Beim Koalitionspartner Liberale Demokraten hat es noch keine Ministerwechsel gegeben, und ungeschoren ist auch Finanzminister George Osborne davongekommen, der als Cameron-Nachfolger gehandelt wird, sollten die Wahlen 2015 verloren gehen. Die oppositionelle Labour Party bezeichnete die Umbildung als „Massaker unter den Moderaten“. Es sei ein Schritt nach rechts, vor allem in Bezug auf Europa. RALF SOTSCHECK
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