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Risiko EonKOMMENTAR VON NICK REIMER

Millionen von Menschen haben in Westeuropa am Samstagabend eine neue kollektive Erfahrung gemacht: Stromausfall. Der Blackout von Emden bis Andalusien verdeutlicht, dass Strom aus der Steckdose eben doch nicht die Selbstverständlichkeit ist, für die Strom aus der Steckdose landläufig gehalten wird. Der Blackout macht vielmehr klar, dass Strom die Achillesferse der modernen Zivilisation ist.

Deshalb kam dieser Stromausfall zur richtigen Zeit. Erstens hat er ganz praktisch illustriert, was „Versorgungssicherheit“ bedeutet – so kurz vor dem Winter. Zweitens hat Europa pünktlich zur diesjährigen Klimakonferenz eine halbe Stunde lang exklusiven Klimaschutz betrieben: Dort, wo sonst die Nachtbeleuchtung tonnenweise Klimagase produziert, blieb es dunkel – also sauber. Beides zusammen illustriert den schmalen Grat, auf dem wir wandeln – und wie groß der Preis des Absturzes wäre.

Zum Glück aber hält uns ja Eon in der Spur – mit über 56 Milliarden Euro Umsatz der weltgrößte private Energiedienstleister. In welcher Spur? Einerseits steigen und steigen die Strompreise, weil, wie der Konzern uns erklärt, die Kosten für intakte Stromnetze so hoch sind. Andererseits steigen und steigen die Konzerngewinne, weil, wie Analysten uns erklären, die Strompreise so hoch sind. Einerseits erklärt uns Eon, seine Netze bestens in Schwung zu halten, just so, dass Blackouts eben nicht passieren. Andererseits erklärt uns der Konzern, dass seine Atomkraftwerke absolut sicher sind. Auf der einen Seite erklärt uns Eon, dass wirtschaftliche Risiken des Klimawandels viel größer seien als aktiver Klimaschutz. Und auf der anderen verlangt der Konzern vom Staat kostenlose Kohlendioxid-Zertifikate. Um die dann frech auf den Strompreis draufzuschlagen.

Da ist also etwas faul im Staate Eon: Netze vernachlässigen, Kunden schröpfen, versprochene Sicherheiten nicht einhalten, Klimaschutz verweigern und Dividende erhöhen – wer all das gleichzeitig macht, handelt nicht verantwortlich als Suchender auf einem schmalen Grat. Deshalb muss die Politik Eon dringend an die Leine nehmen. Oberste Pflicht des Staates ist schließlich, den Absturz zu vermeiden.

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