: „Die Zusammenstöße sind alarmierend“
Der innerpalästinensische Konflikt muss politisch gelöst werden, darauf pocht Nabil Amr, Exminister der Fatah
taz: Herr Amr, ist nach dem heutigen Attentat mit weiteren zu rechnen?
Nabil Amr: Das hängt von der israelischen Reaktion ab und der Entwicklung unter den Palästinensern. Ich gehe davon aus, dass dieser Angriff ein Einzelfall bleiben wird, schließlich blieb es seit sieben Monaten ruhig.
Der Angreifer gehört zu den Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden. Warum löst die Fatah ihren militanten Flügel nicht auf?
Das ist ein großes Thema, das wir innerhalb der Fatah-Institutionen lösen müssen. Es ist nicht leicht, aber wir arbeiten an dem Problem. Ich würde es vorziehen, die Brigaden in unsere Polizeieinheiten zu integrieren und unter das Kommando unserer Politik zu stellen.
Rechnen Sie mit israelischen Vergeltungsaktionen?
Vermutlich wird es wieder Exekutionen geben.
Keine Militärinvasion?
Das glaube ich nicht, denn die Israelis versuchen den Waffenstillstand aufrechtzuerhalten.
Halten Sie den Begriff „Bürgerkrieg“ für die Zustände in Gaza für zutreffend?
Die Zusammenstöße sind alarmierend. Wir dürfen nicht aufgeben und müssen eine politische Lösung finden. Jetzt steht die saudische Initiative auf der Agenda. Die Hauptsache ist eine Einigung über eine Nationale Einheitsregierung. Sollte uns das nicht gelingen, was ich vermute, dann müssen wir vorgezogene Neuwahlen einleiten.
Im Moment sieht es so aus, als würde die Hamas auch die Präsidentschaftswahlen für sich entscheiden.
In diesem Fall würden wir das Ergebnis respektieren.
Ist die Fatah bereit, die Jobs innerhalb der Verwaltung gerechter zu verteilen?
Wir befinden uns in einem Prozess, doch zuallererst muss die Hamas ihre Position verändern und die Regeln der Realität akzeptieren. Vorläufig widersetzt sich die Hamas den Bedingungen der internationalen Gemeinschaft.
Ist die Gewalt in Gaza rein politisch motiviert?
Es gibt so viele Gründe. Die Leute in Gaza leben in einem Belagerungszustand. Es herrscht Chaos. Dazu kommt die große Enge und wirtschaftliche Not. Es musste früher oder später zu einer Explosion kommen.
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen