Kunstrundgang: Tim Ackermann schaut sich in den Galerien von Berlin um
Es ist das Privileg der Kunst, immer wieder in unbekannte Tiefen des Absonderlichen abtauchen zu dürfen. Hundepullover, zum Beispiel. Es gibt wohl kaum eine absonderlichere Erfindung. Ellen Banks hat jedoch genau diese schrägen Leibchen zum Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung gemacht: Seit November 2005 strickt sie vor dem Fernseher. Nun hängen über 100 wildgemusterte Hundepullover in der Galerie Open von der Decke und laden den Betrachter ein, ihren Status als Kunst zu hinterfragen. Bei längerer Betrachtung wirken die winzigen Jäckchen wie eine Art Denkmal. Ein Denkmal für die verstorbenen Waldis und Fifis dieser Welt. Merkwürdig, merkwürdig. Merkwürdiger ist nur noch der Videofilm von Zachary Fabri, der im Untergeschoss der Galerie zu sehen ist: Darin turnt der Künstler über die Straßenkreuzung einer nordischen Kleinstadt, spuckt Maissirup durch die Gegend, malt mit Mehl Kreise auf das Pflaster und führt auch sonst ein ziemlich Voodoo-mäßiges Theater auf. Der Betrachter steht Fabris hermetisch geschlossenem Ritual etwas hilflos gegenüber, spürt aber, dass hier das Unbekannte Einzug in den Alltag erhält.
Weniger das Unbekannte im Alltag als vielmehr das alltäglich Bekannte ist Thema bei „Wesen – Gewesen“, einer Ausstellung von jungen Berliner Fotografen in der Alten Feuerwache. Sehenswert ist hier der Bilderzyklus „ett hem“ von Erik Irmer, der das Haus seiner Großmutter in Finnland nach ihrem Tod fotografiert hat. Der Zauber der Fotos liegt in den behutsam verstärkten Farbkontrasten: Der hellblaue Küchenschrank mit dem knallgelben Blumenaufklebern. Die Kupferkessel, geordnet nach Größe. Der grünkarierte Sessel vor der hellen Schrankwand. Die wunderbare 70er-Jahre-Heimeligkeit der Aufnahmen sagt viel über Erinnerungen und Gefühle des Fotografen selbst aus.
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