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berliner szenen Das Haus gegenüber

Veränderungen

Früher waren da hauptsächlich Büros. Die Mieter wechselten, das sahen wir vom Balkon gegenüber: Bei Neueinzug konnte man erst durch die Zimmer bis hinten sehen, dann schoben sich Raumteiler davor, Computer versperrten die Fenstersicht, und schließlich Computerschrott. Wenn nach 23 Uhr drüben das Licht noch mal anging und erst um 2 Uhr in der Früh wieder aus, dann, sagten wir, versucht wieder jemand die Firma zu retten. Irgendwann später war die Sicht wieder offen in dem schönen Schöneberger Gewerbebau.

Eine der Bürogemeinschaften sah aus wie Architekten. Sie trafen sich einmal im Monat abends und bildeten eine grauhaarige Rockkapelle. Das war auch auf der anderen Straßenseite gut zu hören. Alle waren vorbildlich konzentriert bei der Sache – leider versperrten bald wieder Bildschirme und Jalousien die Sicht.

Jetzt ist es abwechslungsreicher geworden. Eine Etage gehört nun offensichtlich einer Tanzschule, bevorzugt Bauchtanzkurse. Schon der orange Anstrich der Wände leuchtet sehr warm zu mir rüber, man ahnt so gerade das Schwingen der Hüften und sieht tändelnde Arme. Meine Laune verbessert sich jedes Mal schlagartig, wenn ich rüberschaue und sich alles bewegt.

Zwei Stockwerke tiefer dagegen, im Erdgeschoss, machen sie mir ein schlechtes Gewissen. Egal wie früh ich aufstehe, sie sind schon da. Frauen, die sich über Nähmaschinen beugen, Männer, die an Holzstückchen schleifen. Das Fenster zur Straße hängt voller Kleider in Puppengröße. Jahreszeitlich wird dekoriert, zurzeit weist alles auf Karneval. Sie sind so schrecklich fleißig. Aber irgendwie, weiß nicht wieso, sieht es mehr nach Theateraufführung von Arbeit aus denn wie ein realer Betrieb.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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