: Giftgrün gegen Sager
■ Innerparteiliche Grabenkämpfe der GAL vor den Hamburger Wahlen
Hamburg (taz) – Gerade wollte sich Krista Sager entspannt im Auto zurücklehnen. Ohne besondere Vorkommnisse war die Landesvorstandssitzung für die zum Realo-Flügel zählende Chefin der Hamburger Grünen verlaufen. Doch neben ihr rutschte Sagers Kosprecherin Antje Radcke nervös hin und her. Dann legte sie los: Ob die designierte Spitzenkandidatin eigentlich schon wisse, daß die Parteilinke Anna Bruns gegen sie antreten will? Sager zeigte sich ahnungslos. Sechs Monate vor den Hamburger Bürgerschaftswahlen – der letzte Urnengang vor den Bundestagswahlen 1998 – hatte niemand mit einer Gegenkandidatin der Linken gerechnet.
Es schien flügelübergreifender Konsens, daß der bundesweit bekannte Medienliebling Sager (42) die GAL in den Wahlkampf führen sollte. In den Umfrageergebnissen liegen die Grünen seit Monaten um die 20 Prozent. Joschka Fischer, der im Herbst an Sagers Seite an der Elbe vorstellig wurde, schwärmte von einem rot-grünen Hamburg als „Signal für Bonn“.
Er sei „sehr verärgert“ und wisse wirklich nicht, welches „Konkurrenzmotiv gegen Krista“ die Linke antreibe, tobte GAL- Frakionschef und Sager-Intimus Willfried Maier. Er selbst hatte all seine Überredungskunst aufgewandt, um seine Parteifreundin aus Bonn nach Hamburg zurückzuholen. Unzählige Male habe er die Linken gefragt, ob sie eine Spitzenkandidatin aufstellen wollen. Weil Sager für die Rückkehr ihr Amt als Parteisprecherin der Bündnisgrünen aufgeben mußte, wollte er sie nicht ins offene Messer laufen lassen.
Die Linke jedoch empfindet die späte Gegenkandidatur als Befreiungsschlag aus einer „unbestimmbaren Lähmung“, der wieder „Leben in die Bude“ bringen soll, freut sich Parteisprecherin Radcke. „Ich war selbst überrascht, daß die Sorge, die GAL könnte zu einer linken FDP werden, so virulent ist“, erklärt Anna Bruns (59) den Überraschungscoup.
Ernsthaft muß Sager zwar nicht um ihren Spitzenplatz bangen. Doch verzettelt sich die GAL nur wenige Monate vor den Wahlen in giftgrünen Flügelkämpfen, könnte das manchen Prozentpunkt kosten. Eine große Koalition würde wahrscheinlicher. Es ginge nicht darum, „Krista zu demontieren, sondern „ich will ihr etwas entgegensetzen“, beteuert Bruns. Sozial- und Migrationspolitik müsse „gleichrangig“ mit anderen Politikfeldern behandelt werden, denn „wir brauchen wieder Mut zu Reizthemen“. Unumstritten ist Bruns aber in eigenen Reihen nicht. „Linke Millionärin gegen Krista Sager“, titelte die Hamburger Morgenpost und drückt damit aus, was auch manchem GALier unbehaglich ist. Bruns sei „eine Privilegierte“, die „Stellvertreterpolitik für Migranten und sozial Schwache“ betreibe, lästert ein linker Parteikollege. Eine echte Alternative sei sie nicht. Silke Mertins
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