Studentenrevolte in Nicaragua

■ Die Polizei geht hart gegen die Studenten vor, die seit Wochen für den Erhalt des Universitätshaushaltes kämpfen

Wien (taz) – Mit Tränengas und Gummigeschossen versucht Nicaraguas Anti-Aufruhr-Polizei seit Tagen eine Studentenrevolte niederzuschlagen. Mehr als fünfzig Verletzte, manche davon schwer, haben die Straßenschlachten gefordert, die Managua seit dem 26. Juni erschüttern. Aus Protest gegen die Kürzung des Hochschulbudgets haben die Studenten rund um die Universitäten Barrikaden errichtet und wehren die Sicherheitskräfte mit Steinen und hausgemachten Mörsern ab.

Wer im Umkreis der Hochschulen wohnt oder arbeitet, wird von Uniformierten durchsucht. Adrian Meza, der Rektor der Polytechnischen Universität, wurde vor laufender Kamera von Polizisten zu Boden geworfen und mit einem Gewehrkolben geschlagen. Am Montag drang ein Polizeitrupp auf den Campus der Jesuitenuniversität UCA ein und attackierte die dort versammelten Studenten mit Gummigeschossen und Gasgranaten.

Ausgelöst wurden die Proteste durch ein Veto des Präsidenten Arnoldo Alemán. Der hatte eine Entscheidung des Parlamentes über den Universitätshaushalt blockiert, in der die Abgeordneten den Universitäten die verfassungsmäßig vorgeschriebenen sechs Prozent des Jahreshaushaltes zusichern – und zwar ausgehend vom Gesamthaushalt, also Schenkungen aus dem Ausland einbezogen. Es geht um immerhin sechs Millionen Dollar. Denn Alemán will statt 37 Millionen Dollar nur 31 Millionen zahlen. Die Kürzung würde nach Meinung der Studentenvereinigung UNEN die höhere Bildung wieder zu einem Privileg der Reichen machen.

Die Demonstranten vermuten auch private Interessen der Regierung hinter dem Schlag gegen die traditionellen Universitäten. Denn nach dem erzkonservativen Kardinal Obando y Bravo haben auch der Innenminister und der Unterrichtsminister elitäre Privatuniversitäten gegründet.

Der Kampf um „die 6 Prozent“ sorgt seit 1991 regelmäßig für Unruhen. Vor zwei Jahren wurden zwei Studenten erschossen. Eine ernsthafte Diskussion über das verheerend niedrige akademische Niveau an den Universitäten bleibt dabei auf der Strecke.

Diesmal sind die Proteste weitgehend auf den universitären Bereich beschränkt geblieben, doch genießen die Studenten die offene Unterstützung der sandinistischen Opposition. Je brutaler die Polizei vorgeht, desto deutlicher manifestieren auch die Anwohner ihre Sympathien für die Demonstranten. Vorige Woche wurde ein von der Polizei belagerter Bus mit Studenten von Anwohnern aus den umliegenden Häusern befreit. Im Arbeiterbezirk San Judas wurden zeitweise auch Barrikaden errichtet. In den Städten Matagalpa und Esteli bereiten die Transportarbeiter einen Solidaritätsstreik vor.

Die Stimmung im Land ist sechs Monate nach dem Amtsantritt des rechtsliberalen Präsidenten Alemán explosiv. Die nach den Streiks vom April einberufenen Verhandlungen mit den Sandinisten sind geplatzt, weil die Regierung die Gesetzesvorhaben, die im Dialog abgestimmt werden sollten, im Schnellverfahren durch die Nationalversammlung gepeitscht hat. Eine neue Grundsteuer ist für Genossenschaften und Kleinbauern existenzbedrohend, und die Deregulierung des Handels zugunsten der exilkubanischen Investoren in Miami hat auch die lokale Oligarchie aufgebracht. Ralf Leonhard