■ Querspalte: Dumpfblöd und kleingeistig
Seit Deutschland ausgeschieden ist, macht Fußballgucken richtig Spaß. Schöne Spiele und die Gewißheit, daß die unangenehmen Landsleute, die sich vor Ort nicht benehmen konnten, abgereist sind. Und erst recht das Ende des kleinen Jürgen Kohlers in einem jeden, dieser Rest nationalen Zugehörigkeitsgefühls und mehrwöchiger Scham, die einen so leiden ließ bei Spielen, je nach Sichtweise „unserer Jungs“, „der deutschen Elf“ oder „dieser Gurken, die unser Land“. Bild, die noch am Samstag grölend „Bei euch, Jungs“ war, verbat sich und vor allem dem Team von Herrn Vogts (nix mehr mit Bertis Buben) schon am Montag die Jammerei, und jetzt wird es jeden Tag infamer. Der skrupellose Franz Lichtgestalt B. weiß nach wochenlangen Lobpreisungen von Vogts plötzlich allerhand deutlich besser, ein „bisserl primitiv“ habe die deutsche Mannschaft gespielt. Nimm das, Berti. Und WIR schämen uns für DIE. Jeden Tag ein neues demütigendes Vogts-Bild, mal allein im Schwimmbecken, dann mit gesenktem Kopf, umrandet von einer unseriösen Umfrage, deren Ergebnis dann im Namen des Volkes das fordert, was Bild sich seit jeher wünscht – den Kopf von Vogts. Einen Höhepunkt fand die perfide Heuchelei gestern, als drei Sportseiten hemmungslos so übertitelt waren: „Schade! Auf dieser Seite hätten die großen Bild-Berichte über unser Halbfinale gegen Frankreich stehen sollen...“
Vogts in der Tat dumpfblöde und kleingeistige Verschwörungstheorie war genauso unsinnig wie Kohlers „immer wir Deutschen“-Geleier. Doch die irrwitzige Wut von Bild verrät ja nur, was sie so gern erlebt und gedruckt hätten: ein ekelhaftes deutschnationales We-are-the-irgend-was-Geplärre. Darum muß Vogts bluten. Seine „verbalen Fouls“ hätten „unserem Image mehr geschadet als alles bisher dagewesene“. Huch. Prämisse dieser Theorie ist natürlich: Zum Beispiel die „dunkle Zeit“ (nicht die WM, eher so 60 Jahre zurück) wollen wir jetzt mal vergessen haben. Die ist gar nicht dagewesen. Zurück zum Sport! Benjamin v. Stuckrad-Barre
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