■ Zum Konflikt zwischen EU-Parlament und -Kommission: Immerhin ein Anfang
„Ja, was bedeutet das nun?“ fragte Kanzler Schröder in die Runde der Weltpresse auf seiner gestrigen Neujahrspressekonferenz. Er war der erste deutsche Repräsentant, der das Abstimmungsverhalten der EU-Parlamentarier verkündete. Schröder, der als EU-Ratspräsident seit 1. Januar auch erster Repräsentant der EU ist, war offensichtlich damit überfordert, aus dem Verhältnis von 293 Stimmen gegen den Mißtrauensantrag und 232 dafür herauszulesen, wie es mit der Kommission weitergeht. Schröder ist nicht der einzige Europäer, der ratlos ist. Denn die Frage, die die EU-Parlamentarier in ihrem bislang mutigsten Vorstoß aufgeworfen haben, lautet: Wie weiter mit Europa in den Brüsseler Glaspalästen?
Dabei ist es unerheblich, daß der Mißtrauensantrag durchgefallen ist. Das Ergebnis ist schließlich denkbar knapp, und die Kommissare wissen, daß ihr Ansehen als exekutive Kraft von 370 Millionen Europäern dahin ist. Das ist bedauerlich, da die meisten der 20 EU- Kommissare und ihre Behörden gute Arbeit leisten. Aber die offene Rüge der Parlamentarier eröffnet nun die Möglichkeit, sich endlich ernsthaft mit Europa und seinen Organen auseinanderzusetzen.
Da ist das oft und zu Recht gerügte Demokratiedefizit. Das Parlament hat seit seiner Gründung 1979 kaum Rechte hinzubekommen. Die Abgeordneten können die Quasi-Regierung der EU – die Kommission – kaum kontrollieren, geschweige denn beeinflussen. Hinzu kommt der nur indirekt demokratisch legitimierte Einfluß der europäischen Regierungschefs. Sie sind zwar in ihren Ländern gewählt, doch fehlt ihnen die Legitimation des europäischen Bürgers. Zugegeben, es gibt bislang keine nennenswerten Massen von Europäern, die sich als Bürger des föderativen Staates Europa begreifen. Doch kommt erschwerend hinzu, daß die Regierungsoberhäupter in erster Linie an die Vorteile ihrer Nationalstaaten denken. Denn dort werden sie ja auch gewählt. Mit dem Vertrag von Amsterdam haben die Regierungschefs immerhin versucht, die EU zu reformieren. Doch leider erschöpft sich der Wille bislang in der Absicht.
Die Parlamentarier werden noch lange darauf warten müssen, daß sie vergleichbare Rechte wie nationale Parlamente haben. Dazu müßten sich zunächst einmal europaweit antretende Parteien gründen und ein länderübergreifendes Verantwortungsgefühl entwickeln. Immerhin, die Abgeordneten haben in den vergangenen Wochen eindrucksvoll ein Bild von ihrer ernsthaften, mühseligen und gewinnbringenden Arbeit abgeliefert. Ulrike Fokken
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