Hundert Millionen Mark für die lokale Ökonomie

■ Grüne schlagen vor, EU-Gelder langfristig für die soziale Stadtentwicklung auszugeben

Ein arbeitsloser Jugendlicher findet bei einem Betrieb um die Ecke tatsächlich noch einen Ausbildungsplatz – dank neuartiger staatlicher Finanzierung. Eine Mobilitätsstation verleiht Fahrräder und Autos an bedürftige BewohnerInnen des Stadtteils. Dies sind nur zwei Beispiele, mit denen die Bündnisgrünen die Situation in den Innenstadtbezirken verbessern wollen. Auf Initiative ihrer arbeitsmarktpolitischen Sprecherin Sibyll Klotz brachte die Partei gerade den Vorschlag eines „Leitprogramms für sozialökologische Stadtentwicklung“ ins Abgeordnetenhaus ein.

Die Grünen wollen das Programm aus Mitteln der Europäischen Union finanzieren, die im Rahmen ihrer Fonds für Struktur- und Regionalentwicklung (ESF und EFRE) Berlin jedes Jahr rund 350 Millionen Mark zur Verfügung stellt. Statt „alles mögliche“ mit den Europamitteln zu bezahlen, schlägt Klotz vor, etwa ein Drittel des Geldes gezielt für die Aufwertung der Stadtteile einzusetzen.

Sowohl Dieter Pienkny, Sprecher des Gewerkschaftsbundes DBG, als auch Joachim Günther, der Sprecher von SPD-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, meinen, daß die grünen Ideen grundsätzlich in die richtige Richtung gehen. Strieder versucht gegenwärtig, die Situation in den von Armut und Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Bezirken, durch sogenannte „Quartiersmanager“ zu verbessern.

Nach dem Willen der Grünen sollen die rund 100 Millionen Mark die bedrohten Stadteile insgesamt wieder lebenswerter machen. Damit könnte man etwa die Verständigung zwischen den Bevölkerungsgruppen verbessern. Die Säuberung von Parks und Spielplätzen ließe sich ebenso finanzieren wie sozialarbeiterische Maßnahmen, die nachts ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Fördermaßnahmen besteht darin, daß die staatliche Arbeitsförderung wegkäme vom kurzfristigen Rhythmus der ein- oder zweijährigen ABM-Stellen. Klotz schlägt deshalb vor, den Förderzeitraum für Stellen im Leitprogramm auf sechs Jahre festzulegen, was auch der Dauer der neuen ESF-Periode (2000 bis 2006) entspricht. Ferner würde das Leitprogramm die Kooperation der SenatorInnen für Wirtschaft, Arbeit und Stadtentwicklung erfordern, die sonst gerne aneinander vorbeiarbeiten. Klotz ist überdies überzeugt, daß die reichlich vorhandenen Europamittel bislang falsch verwendet wurden. Neben den Hightech-Zentren wie Adlershof müßte nun auch die lokale Wirtschaft, ohne die die Stadtteile ihren Zusammenhalt verlören, in den Mittelpunkt rücken.

Strieders Sprecher Günther freilich warnte allerdings davor, jetzt schon Millionen für Maßnahmen zu verplanen, deren mögliche Wirksamkeit man kaum einschätzen könnte. Zunächst sollten die Quartiersmanager, die in Wedding, Friedrichshain und Kreuzberg ihre Arbeit aufnehmen, eine Bestandsaufnahme über den genauen Bedarf in den Stadtteilen abliefern. Hannes Koch