piwik no script img

Kampf um die russischen Truppen

■ Verhandlungen in Moskau über Kontingent und Stationierung unterbrochen. Stepaschin sieht Militär in „katastrophalem Zustand“

Der amerikanische Unterhändler Strobe Talbott eröffnete die Runde der technisch-militärischen Detailverhandlungen, in der vor allem die Zuständigkeit der Friedenskontingente im Kosovo zu klären ist, gestern in Moskau mit einem kategorischen „Njet“: Eine Teilung des Kosovo in Einflußzonen zwischen Rußland und dem Westen schloß Talbott grundsätzlich aus.

Keine der beteiligten Seiten gab sich der Illusion hin, die Gespräche würden schnell und reibungslos verlaufen. Sie wurden nach rund sechsstündiger Dauer auf heute vertagt.

Das russisch-amerikanische Verhältnis hat inzwischen seinen absoluten Tiefpunkt seit Beginn der 90er Jahre erreicht. Dennoch fand der Amerikaner ein paar anerkennende Worte für den russischen Friedensbroker Wiktor Tschernomyrdin und betonte, ohne Rußlands Engagement wäre der Konflikt nicht gelöst worden: „Rußland kommt dafür eine große, vielleicht sogar entscheidende Verantwortung zu.“

Daß die Verhandlungen kein Zuckerschlecken werden, ließ sich auch an der Wahl des russischen Delegationsleiters General Leonid Iwaschow ablesen. Der Chef der Auslandsabteilung des russischen Verteidigungsministeriums hat den Ruf eines Falken und erklärten Gegners der Nato. Iwaschow hatte letzte Woche versucht, die Übereinkunft zwischen Tschernomyrdin und Miloevic im nachhinein noch zu unterlaufen, wurde dann aber von Präsident Jelzin zurückgepfiffen.

Unterdessen trat der General gestern bereits etwas vorsichtiger auf. Rußland ziele nicht darauf ab, im Kosovo einen eigenen Sektor zu erhalten, lege aber Wert auf eine „spezielle Zone“, in der russische Einheiten eine Schlüsselrolle einnehmen sollten. In einer Verhandlungspause traf sich Iwaschow mit dem Botschafter Schwedens. Gerüchten zufolge könnten sich die Russen vorstellen, an der Seite schwedischer Militärs ihre Aufgaben im Kosovo wahrzunehmen.

Unterdessen gab der russische Premierminister Sergej Stepaschin gestern vor dem Kabinett einen düsteren Bericht zum Zustand in den Streitkräften ab. „Die Armee befindet sich in einem katastrophalen Zustand. Armee und militärisch-industrieller Komplex sind kaum in der Lage zu überleben.“

Bereits im Vorfeld hatte der Ministerpräsident darauf hingewiesen, daß Rußland nicht einmal über ausreichende Mittel verfügt, um das Friedenskontingent für das Kosovo angemessen auszustatten. Zweifel herrschen auch vor, ob Moskau in der Lage ist, auf die Schnelle an die 10. 000 Mann in Marschbereitschaft zu versetzen. Klaus-Helge Donath, Moskau

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen