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Der Napoleon der Kunstgeschichte

Er verließ die Stadt als Museumsdirektor und kehrte als Generaldirektor zurück: Peter-Klaus Schuster hat so viel Macht wie vor ihm noch keiner in den Staatlichen Museen. Ein Portrait  ■   Von Katrin Bettina Müller

Er liebt den Auftritt und er liebt die Ironie. Damit nimmt er seinen Kritikern oft den Wind aus den Segeln. Als Peter-Klaus Schuster Berlin 1998 verließ, um Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München zu werden, fasste er die Lobreden auf seine Person selbst zusammen mit: „Ein bisschen Direktor, ein bisschen Felix Krull.“

Als der umtriebige Museumsmann ein Jahr später nach Berlin zurückkehrte, um Generaldirektor der siebzehn Museen der Stiftung Preussischer Kulturbesitz zu werden und als sein eigener Nachfolger auch wieder die Leitung der fünf Häuser der Nationalgalerie zu übernehmen, erschien das vielen als ein Coup. Der Posten in München wirkte rückblickend bloß wie eine taktische Durchgangsstation, um sich für Berlin als Generaldirektor zu empfehlen.

Geändert hatten sich in der Zwischenzeit allerdings die Ausgangsbedingungen: Durch die Bundestagswahl war der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, ins Amt gekommen, und mit seinem Vorsitz wurde in der Stiftung der neue Präsident Klaus-Dieter Lehmann gewählt.

Zuvor hatte das Fehlen des Stiftungspräsidenten ein Jahr lang Personalentscheidungen blokkiert. Schusters Rückkehr, auch vom Berliner Senat erleichtert begrüßt, erschien somit wie die Rettung aus einer langen Phase der Lähmung.

Geschätzt als Kunsthistoriker wird Schuster selbst von denen, die unter seinem Führungsstil zu leiden haben. Mitarbeiter nennen ihn „eine Art Karajan“. Sein Blick für das 19. Jahrhundert und den Umbruch zur Moderne entstaubt die Geschichte. Eine seiner ersten Ausstellungen in Berlin 1990 über den Maler Carl Blechen ließ das Werk des Romantikers als Vorgriff auf die Wahrnehmungsänderungen in der Moderne sehen.

Solche Wachheit gegenüber den Bedingungen ihres Gewordenseins fehlt bisher vielen der Staatlichen Museen, die den Zuschnitt ihrer Sammlungen und Forschungsgebiete seit den Gründerjahren fortschreiben. Ein Leben außerhalb des Museums scheint es für den 56-Jährigen kaum zu geben. In Nürnberg und München hat er als Konservator gearbeitet, bevor er 1988 als Kustos an die Nationalgalerie Berlin kam.

Fast unheimlich ist Schusters Ruf als Workoholic, den man zwangsweise in Urlaub schicken muss. Vier Monate nach seiner Rückkehr nach Berlin hat er erst Zeit gehabt, eine Wohnung zu finden, was aber auch daran liegt, dass er im Gästehaus der Humboldtuniversität so schön gewohnt hat, mit Blick auf die Museumsinsel. Seine Texte, denen man die Lust an sprachlichem Witz und die Bewunderung für die künstlerische Selbstinszenierung anmerkt, schreibt er angeblich nachts.

Doch das Amt des Generaldirektors verlangt andere Qualitäten. In diesem „Mischkonzern“ sieht sich Schuster als „Querdenker“ gefordert, „der die Dinge auch mal in eine gewisse Unordnung bringt“. Er bewundert an seinem machtbewussten Vorgänger Wolf-Dieter Dube die Entscheidungskraft eines „Visionärs“: „In der Welt des unendlichen Diskurses braucht es einen starken Generaldirektor, der sagt, das will ich jetzt.“ Allen Interessen der Häuser gerecht zu werden, ist kaum möglich, davon geht auch Schuster aus.

Ein Beispiel ist das „Deutsche Centrum für Photographie“, dessen Gründung Schuster von Dube als Aufgabe geerbt hat. Schuster umschreibt es als „milde Ungerechtigkeit“, dass dafür Stellen anderer Museen gestrichen und umdefiniert werden müssen. „Jeder weigert sich, wenn er etwas aus seinem Fell herausschneiden muss. Deshalb braucht man eine vorausgreifende Idee“. So begründet er sein Vorgehen, die Gründung zu beschließen und dann erst mit den Häusern darüber zu reden, welche Teile ihrer Bestände sie für das neue Haus abgeben sollen.

Die Probleme der Museen beschränken sich nicht nur auf Neugründungen. Bisher sind die Zielsetzungen der Häuser oft von ihrer Geschichte geprägt. So geht es darum, wieder die Bedeutung wie vor den Verlusten im Zweiten Weltkrieg zu erlangen, etwa beim Rückzug des Ägyptischen Museums auf die Museumsinsel oder darum, Pläne zu realisieren, die seit Anfang des Jahrhunderts entwickelt wurden. Über der Bewältigung der historischen Brocken scheinen die Museen eine Zielsetzung zu versäumen, die sich an den gewandelten Bildungsbedürfnissen orientiert und einem Kulturbegriff gerecht wird, der Kunst immer mehr in einem Kontext erfahren will.

Schuster ist sich dessen bewusst. Er sieht die Staatlichen Museen auch als ein „Geisterschiff“, das, im preußischen Staat losgesegelt, in unseren Zeiten seinen Kurs neu bestimmen muss.

„Museen sind eine Fantasiebranche. Ich sehe das nicht so kulturpessimistisch, sondern mehr als großes Spiel“, geht er der Frage nach einer Strategie, sich gegen den finanziellen Erfolgsdruck zu behaupten, aus dem Weg. Weil er Empfängen und Diners in den Museumsräumen für Freundeskreise und andere Sponsoren nicht die Tür verbietet, wird er schon als Wegbereiter einer Event-Kultur verdächtigt. Noch ist man unsicher, ob das Freihalten der Museen von Kommerzinteressen überhaupt auf seinem Programm steht.

Mit dem Talent eines Selbstdarstellers findet er für jeden Anlass den richtigen Ton. Imagefördernd flaniert er mit dem Bundeskanzler Gerhard Schröder über Museumsbaustellen und überreicht zum Fototermin dem 250.000 Besucher der Jahrhundertausstellung ein Geschenk. Mit diesem Projekt „Ein Jahrhundert Kunst in Deutschland“ hat sich Schuster für seine Rückkehr aus München eine glänzende Bühne geschaffen. Die Ausstellungen in sechs Museen schlagen ein repräsentatives Panorama der Kunst in Deutschland auf in einer Zeit, in der Berlin wieder Regierungssitz wird. „Was immer die Geschichte oder die Gesellschaft den Deutschen vorenthalten hatte, sollte die Kunst ersetzen“, ist dabei eine These Schusters. Von dieser Indienstnahme der Kunst als Kompensation für das mangelnde Selbstverständnis der Gesellschaft im wiedervereinigten Deutschland sind jedoch die Ausstellungen selbst nicht frei.

Als einen „Napoleon der Kunstgeschichte“ gar sah der Ästhetkikprofessor Beat Wyss Schuster hier agieren. Befürchtet wird, dass Schuster in der Bündelung seiner Funktionen zu viele Entscheidungen an sich reißt. Er selbst beschreibt seine Rolle zwar als die eines „Stichwortgebers“, der mit seinem „Enthusiasmus“ die Kuratoren dazubringen kann, seine Sicht zu ihrem Anliegen zu machen. Doch schon wie das Panorama „Kunst in Deutschland“ schließlich fast nur als „sein“ Projekt gelesen wurde und die Co-Autoren unter den Tisch fielen, gibt diesem Misstrauen Nahrung.

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