piwik no script img

„Bankier der Armen“ gründet politische Partei

Friedensnobelpreisträger Mohammad Yunus will künftig als Politiker die Armut in seinem Land bekämpfen

DELHI taz ■ Als „Bankier der Armen“ wurde Mohammed Yunus, Gründer der Grameen-Bank, bekannt. Nun will der Ökonom, der mit seiner Bank im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhielt, Politiker werden. Vorgestern gab er in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka die Gründung einer neuen Partei bekannt. Sie soll „Macht der Bürger“ heißen und hat das ehrgeizige Ziel, die Armut in Bangladesch bis 2030 zu besiegen. Er habe „engagierte Menschen“ gewonnen, die sich um die alltäglichen Sorgen der Menschen kümmern, so Yunus.

Yunus hatte seit längerem gefordert, dass Bangladeschs Wähler angesichts der Totalblockade, die sich Regierung und Opposition seit langem liefern, eine Alternative geboten werden müsse. Eigene Ausflüge in die Politik hatte der 66-jährige Grameen-Gründer jedoch stets abgelehnt. Beflügelt von der Popularität, die ihm der Nobelpreis verlieh, hat er inzwischen seine Meinung geändert. Vor einer Woche schrieb Yunus einen offenen Brief an seine Mitbürger, in dem er um ihre Meinung zur Gründung einer neuen politischen Partei bat. Die Reaktionen seien überwältigend gewesen, erklärte Yunus – sodass er den Schritt nun wage.

Der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein. Die jahrzehntealte Gegnerschaft zwischen der regierenden Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der oppositionellen Awami-Liga – und ihren Führerinnen Khaleda Zia und Sheikh Hasina Wajed – hat das Land an den Rand der Regierbarkeit geführt. Dies zeigte sich exemplarisch bei den Vorbereitungen zur Parlamentswahl, die im Januar hätte stattfinden sollen. Der kluge Mechanismus einer neutralen Übergangsverwaltung war von der BNP-Regierung so unterwandert worden, dass es zu monatelangen Protesten der Opposition kam, bei denen mehr als 40 Menschen starben.

Polizei, Justiz und Verwaltung sind ohnehin von BNP-Parteigetreuen durchsetzt. Ähnlich offensiv ging die Regierungspartei bei der Besetzung des Übergangspremiers und der Wahlkommission vor. Außerdem tauchten rund zwölf Millionen gefälschte Wählerlisten auf. Die Folge war, dass Präsident Iajuddin Ahmed die Wahlen aussetzte, die Übergangsregierung entließ, die Wahlkommissare auswechselte und am 11. Januar den Ausnahmezustand ausrief.

Neuer Regierungschef wurde der frühere Zentralbankpräsident Fakhruddin Ahmed. Dieser hat – und dies ist der zweite günstige Faktor für Yunus – sich nicht damit begnügt, die gröbsten Missbräuche zu korrigieren. Vielmehr hat er zum Schlag gegen die kriminellen und korrupten Elemente in den beiden großen Parteien ausgeholt. In landesweiten Razzien wurden in den letzten Wochen über 12.000 Parteianhänger verhaftet. Zu ihnen gehören zwanzig prominente Politiker, darunter sieben ehemalige Minister. Weitere hundert sind untergetaucht.

Theoretisch hätten die Wahlen drei Monate nach Bildung der Übergangsregierung, also spätestens im Januar durchgeführt werden müssen. Diese Verfassungsvorgabe wurde jedoch durch den Ausnahmezustand ausgehebelt. Dass dieser im Volk auf so großes Verständnis stieß, zeigt, wie wenig Vertrauen in demokratische Institutionen im Land noch verblieben ist.

Auch Mohammed Yunus, Träger des Nobel-Heiligenscheins, hat sich für eine Ausdehnung des Notstands ausgesprochen – wohl auch, weil er Zeit braucht, um eine Wahlplattform auf die Beine zu stellen. Als „Bankier der Armen“ verfügt er über große Sympathien in den Dörfern des Landes. Yunus wird zwar von seiner Funktion als Präsident der Grameen-Bank zurücktreten, er kann aber sicher auf viele Wahlhelfer unter den Mitarbeitern der 77.000 Filialen und Millionen von Kleinkreditgruppen zählen. Das Charisma des genialen Ökonomen wird für den Sieg allein aber wohl nicht reichen. Ebenso wichtig wird die Auswahl der Kandidaten sein, die das lokale „Gesicht“ der neuen Partei darstellen. Es ist der Ort, wo die meisten demokratischen Parteien Kompromisse machen müssen – und wo sich häufig genug der Korruptionsvirus einnistet.

BERNARD IMHASLY

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen