Ein paar Tipps und Fakten

Volker Angres, Leiter der ZDF-Umweltredaktion, versorgt als „Mainzer Bürger“ die örtliche CDU mit Argumenten in der Debatte um ein geplantes Kohlekraftwerk. Sein Chefredakteur is not amused

VON STEFFEN GRIMBERG

In Mainz erhitzt derzeit die Diskussion um ein neues Kohlekraftwerk die Gemüter: Bauen will es die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW) in der Ingelheimer Aue. Auch in der CDU wird debattiert – mit freundlicher Unterstützung von Volker Angres. Ahnung hat der fraglos – schließlich ist Angres seit 1990 Leiter der ZDF-Umweltredaktion.

Aus dem staatsfernen Mainzer Sender übermittelte Angres nun per Mail der CDU-Fraktion im Mainzer Stadtrat einen zweiseitigen Brief mit Datum vom 8. Februar, der es in sich hat: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zum Kraftwerk ein paar Anmerkungen zu machen, die sich im Wesentlichen auf meine journalistische Auseinandersetzung mit dem Thema als Leiter der ZDF-Umweltredaktion stützen“, schreibt Angres: „Insgesamt werden in Deutschland derzeit 23 neue Kohlekraftwerke (bzw. -Blöcke) geplant oder gebaut. Insgesamt werden diese Kraftwerke Deutschland ernorme Probleme bereiten, die Klimaschutzziele der EU zu erreichen. Es wäre politisch brillant, wenn die CDU Mainz sagen könnte: Dazu haben wir nicht beigetragen. Politisch kann ich zudem nicht nachvollziehen, dass Sie der SPD helfen, den Ausstieg aus der Atomenergie so zu zementieren – eben durch die Zustimmung zum Kohlekraftwerk.“

Angres plädiert für eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke und stärkere Investitionen in regenerative Energien: „Ministerpräsident Oettinger [CDU, Ba-Wü, d. Red,] bereitet eine ähnliche Strategie vor. Auch hier könnte die Mainzer CDU punkten, indem ein solcher Vorschlag über die Landes-CDU eingebracht würde.“ Ja mehr noch: „Die CDU Mainz hat alle Chancen, sich als moderne, zukunftsweisende Partei zu profilieren – ich finde, dass ist eine gute Botschaft auch gerade für junge Wähler“, schreibt der oberste Umweltjournalist des ZDF.

Wer dies nun für politische Strategieberatung hält, die einem Redaktionsleiter eines öffentlich-rechtlichen Senders nicht unbedingt zukommt, liege aber falsch: „Die Darstellung, es handle sich um Beratungstätigkeit, trifft nicht zu“, sagte Angres gestern der taz: Er habe lediglich als „Mainzer Bürger“ denjenigen „ein bisschen helfen wollen, die in der Lage sind, hier noch etwas zu ändern“ – mit „ein paar Fakten und ein paar Tipps“. Dass Mail und Brief vom ZDF aus an die Mainzer CDU-Fraktion gingen, sei bloßer Zufall, schließlich hätte er genauso gut seinen privaten Mail-Account nutzen können. Dass er sich ausschließlich an die CDU gewandt hat, begründet Angres so: „Alle anderen Parteien, die in der Debatte mitmischen“ – in Mainz sind das neben der CDU vor allem SPD und FDP – hätten ihre Beschlüsse in Sachen Ingelheimer Aue schon gefasst. Bei der CDU besteht dagegen Hoffnung: „Es ist im Interesse des Klimaschutzes, dass das Kraftwerk nicht gebaut wird“, sagt Angres.

Dem Ansinnen kann man viel Sympathie entgegenbringen – der AKW-Laufzeitverlängerung schon weniger. Doch darum geht es hier nicht: Der Leiter der ZDF-Umweltredaktion hat sich nicht in parteiinterne Debatten einzumischen. Zumal Angres ja durchaus Möglichkeiten hat, seine Fakten und Argumente journalistisch zu verbreiten. Dazu braucht es keine Mails oder Briefe an CDU-Vorstände, die von diesen dann ungeschickterweise an einen viel größeren Adressatenkreis weitergeleitet werden.

So sieht das auch der ZDF-Chefredakteur: „Als Privatmann kann jeder machen, was er will“, sagte Nikolaus Brender der taz. Werde aber ein Zusammenhang zur ZDF-Tätigkeit hergestellt – wie hier durch Mail und Brief –, sei das nicht zulässig: „Ich habe ihm den Kopf gewaschen“, so Brender, der Details zur Haarpflege nicht vertiefen mochte.

Bei der CDU immerhin scheint Angres’ Argumentationshilfe teilweise auf offene Ohren gestoßen zu sein: Beim politischen Aschermittwoch der rheinland-pfälzischen CDU sprach sich der Landesvorsitzende Christian Baldauf gegen neue Kohlekraftwerke sowie für die AKW-Verlängerung und Förderung regenerativer Energien aus. Doch der Streit geht weiter: Sein Parteifreund, der Mainzer Umweltdezernent Wolfgang Reichel, warf Baldauf in der Presse prompt „mangelnde Fachkenntnis“ vor. Ob Angres da weiterhelfen kann, bleibt abzuwarten: Er soll auf Einladung des CDU-Landtagsabgeordneten Gerd Schreiner am 8. März als „Leiter der Redaktion Umwelt des ZDF“ zum Thema „Neue Energien – Neues Denken“ referieren. Laut Chefredakteur Brender bedürfen „solche Dinge eines Nebenbeschäftigungsvertrags“, ein „entsprechender Antrag“ liege aber noch nicht auf seinem Tisch.