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Gnade für Herrn Mróz

SEESENER SPRACHSCHWÄCHEN

Er ist Opfer eines Missverständnisses, das ist doch klar: Am Donnerstag musste Fitnesstrainer Werner „Acky“ Mróz als Seesener Ratsherr zurücktreten und auch die Mitgliedschaft in der CDU beenden, deren Vize-Ortsvorsitzender er war. Und das bloß, weil er nicht so wortgewandt ist.

Er sei nämlich gar kein Judenhasser, ließ er wissen. „Ich bin kein Nationalsozialist und kein Antisemit“, beteuerte er im Gespräch mit der Lokalzeitung seines Vertrauens. Er konnte es nur nicht anders ausdrücken: Dass er via Facebook gepostet hatte „Juden sind scheiße“ habe daran gelegen, dass ihm „die Hutschnur hochgegangen“ sei, bewies er durch ein Statement auf NDR 1 seine sprachliche Inkompetenz. Für die gibt es auch ältere Belege, etwa auf der Homepage seiner Muckibude, die „Indoor Cycling“ vorstellt als „ein Gruppentrainingsprogramm, das meist als Ausdauersport ausgeführt werden“ und sich auch sonst liest, als wäre der Text per Bing-Translator aus dem Idiotischen ins Dummdeutsche übertragen.

„Vielleicht drückt er sich ab und zu ungewollt sehr unvorteilhaft aus“, springt ihm denn auch im Gästebuch jemand zur Seite. Und auch in der Lokalzeitung versucht der Chefredakteur den „Kumpeltyp“ in Schutz zu nehmen: „Dass Mróz nicht nur einen judenfeindlichen Beitrag geschrieben hatte, sondern auch bei anderen Themen nicht gerade zimperlich bei der Bewertung war, spielt nunmehr kaum eine Rolle“, heißt es in dessen Kommentar, denn der antisemitische Beitrag habe „alle Diskussion über Bord geworfen“. Und wenn man das so liest, kommt man schon ins Grübeln: Denn ausgerechnet von einem Bodybuilder linguistisches Feingefühl zu verlangen, der in einem Ort lebt und durch sein kommunalpolitisches und ehrenamtliches Engagement permanent mit einer Lokalzeitung konfrontiert ist, deren Chefredakteur solche Sätze verantwortet, das ist unfair.

Zumal das Blatt auch noch unbeirrt an seinem Traditionstitel festhält und nie für nötig befand, den zu ändern. Das Organ heißt: Seesener Beobachter.  BES

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