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Wer stellt sich quer am Roten Meer?

Saudi-Arabien und Ägypten können sich nicht einig werden, ob eine Brücke ihre beiden Länder verbinden soll. Weil die Saudis jetzt anfangen wollen, ist Ägypten dagegen. Israel sowieso. Das Großprojekt spaltet auch Korallentaucher und Mekkapilger

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Brücken verbinden – wenn es nicht gerade um ein Projekt zwischen zwei arabischen Bruderstaaten und Nachbarn geht. Das Projekt, eine Brücke über das Rote Meer zwischen Ägypten und Saudi-Arabien bauen, hat zwischen beiden Ländern eine politische Krise ausgelöst.

Letzte Woche machten Meldungen die Runde, der saudische König Abdullah wolle auf einer Tour in den nördlichen Provinzen den Grundstein für eine 23 Kilometer lange Brücke über das Rote Meer legen, die am Golf von Akaba das saudische Tabuk über die Insel Tiran mit dem Badeort Scharm al-Scheich auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel verbinden soll. „Ein Traum wird wahr“, schrieb eine saudische Zeitung.

Doch auf der anderen Seite des Meeres legte der ägyptische Präsident Husni Mubarak überraschend sein Veto ein. „Keiner hat mit uns darüber gesprochen“, kommentierte er die angekündigte Grundsteinlegung gegenüber der Tageszeitung Al-Messa. Er bezeichnete die Brücke als schädlich für den Tourismus und als Sicherheitsbedrohung. Sie würde die ruhige Atmosphäre von Scharm al-Scheich zerstören und Touristen verscheuchen, erklärte er: „So etwas werde ich niemals zulassen.“

Die Idee einer Brücke über das Rote Meer ist nicht neu. Seit zwanzig Jahren ist dieses Projekt im Gespräch. Vier Machbarkeitsstudien wurden in Auftrag gegeben. Mehr als drei Jahre Bauzeit werden für das 3-Milliarden-Dollar-Projekt veranschlagt, für das bereits große kuwaitische, ägyptische und saudische Bauunternehmen Interesse angemeldet haben.

In saudischen Medien wurde dieser Tage darauf verwiesen, dass das Projekt im vergangenen Jahr nach dem „Al-Salam“-Fährunglück einen neuen Schub bekommen habe. Über 1.000 Menschen ertranken auf dem Seeweg zwischen Saudi-Arabien und Ägypten, als Februar 2006 auf der veralteten Fähre „Al-Salam“ ein Feuer ausbrach und das Schiff sank.

Politisches Veto

Doch mit dem präsidialen ägyptischen Nein ist die Idee vorerst vom Tisch. Die ägyptische Oppositionszeitung Al-Wafd spricht von einer „stillen Krise zwischen Ägypten und Saudi-Arabien“. Die Weigerung des Präsidenten habe in erster Linie mit Politik und erst danach mit den Auswirkungen der Brücke zu tun, spekulierte das Blatt. Denn die Ägypter fühlen sich in den letzten Monaten von den Saudis um ihre Vorherrscherrolle in der Region gebracht. Sei es der Arabische Gipfel, das Mekka-Abkommen zwischen den Palästinensern oder die saudische Vermittlung in der libanesischen Regierungskrise – Riad hat sich anstelle von Kairo zum neuen diplomatischen Zentrum der Region entwickelt. „Die saudische Diplomatie hat es in letzter Zeit ein wenig an Gefühl für die ägyptische Rolle vermissen lassen“, formuliert die überregionale arabische Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi vorsichtig. Als die Saudis dann die Idee einer Grundsteinlegung für die Brücke lancierten, ohne auf der anderen Seite der Meeresenge nachzufragen, war das Fass übergelaufen.

Während sich die Saudis nun bedeckt halten, ist in Ägypten eine Diskussion über die Weisheit des präsidialen Nein ausgebrochen. Die Brückenbefürworter schwärmen von den Vorzügen des Bauwerkes für den innerarabischen Handel und für die Mekkapilger. „Die Länder am Golf und in Afrika würden von der dramatischen Veränderung der Transportwege zwischen den zwei Kontinenten profitieren“, wird der ägyptische Journalist Ali Mahmud in der saudischen Arab News zitiert.

Die Gegner führen demgegenüber die Umwelt ins Feld, besonders die gefährdeten Korallenriffe um Scharm al-Scheich, die zu den besten Tauchgründen der Welt zählen. Wagdi Saad, ein Investor in Scharm al-Scheich, warnt, dass „sich die europäischen Touristen auf der Suche nach natürlicher Schönheit nur schwer mit den Reisenden aus dem Golf vereinbaren lassen“.

Und dann stehen da noch israelische Einwände im Raum. Israel sei nicht informiert worden, wie im Fall des Brückenbaus die für das Land lebenswichtige Schifffahrt am Golf von Akaba geregelt sein soll, heißt es in der israelischen Webzeitung Debkafile. Versuche der Ägypter, den dortigen Schiffsverkehr zu stoppen, waren vor 40 Jahren einer der Auslöser des Sechstagekrieges gewesen. Israelische Militärs, so berichtete die Zeitung, seien außerdem besorgt darüber, dass die saudische Armee mit dieser Brücke die israelische Grenze auf dem Landweg erreichen könne, über die Sinai-Halbinsel.

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