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G-8-Gegner müssen laufen

Immer mehr Berliner wollen zu den G-8-Protesten an der Ostsee. Doch schon jetzt sind die meisten Busse ausgebucht. Trotz des Ansturms will die Bahn keine zusätzlichen Züge nach Rostock einsetzen

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Für viele Berliner Globalisierungskritiker könnte der Protest gegen die Mächtigen der Welt schon am Hauptbahnhof enden. Zehn Tage vor der G-8-Großdemo in Rostock sind fast alle von Berliner Gruppen, Verbänden und Parteien gecharterten Busse bereits voll. Dabei ist die Nachfrage besonders in den letzten Tagen gestiegen, berichten die Organisatoren. Wer jetzt noch einen Platz ergattern will, landet vielerorts auf der Warteliste. Der Ansturm auf die Regionalzüge nach Rostock ist abzusehen. Trotzdem plant die Bahn keine Verstärkung der Linie. Die Züge verkehren wie sonst auch.

Für die Rostocker Großdemo am 2. Juni gegen das Treffen der Regierungschefs hoffen die Veranstalter auf bis zu 100.000 Teilnehmer. Drei von Attac organisierte Sonderzüge sammeln Globalisierungskritiker aus ganz Deutschland ein, doch keiner davon hält in Berlin. Dabei ist die Stadt bekannt für ihre linke Szene. Das Berliner Attac-Büro verwies Interessenten bisher an die Linkspartei, die mit zehn Bussen rund 600 Personen nach Heiligendamm transportieren will. Einige wenige Plätze hatte die Partei gestern noch zu vergeben.

Doch nicht mehr lange: Landesschatzmeisterin Sylvia Müller sagt, sie bekomme Anfragen im Minutentakt. „Wir hätten noch mehr Busse organisiert, aber in Berlin sind keine mehr zu bekommen.“ Diese Erfahrung machten auch die Grünen. Sie werden mit fünf vollen Bussen an die Ostsee rollen. „Wir hätten auf jeden Fall noch mehr Fahrzeuge füllen können“, sagt die Landesvorsitzende Irmgard Franke-Dressler. Das Telefon klingele ununterbrochen, 25 Personen ständen bereits auf der Warteliste.

Auch die Berliner Jusos haben eine Warteliste für ihre beiden ausgebuchten Busse angelegt, genauso sieht es bei den Falken, beim Bund der Katholischen Jugend und beim Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag aus. Lars Buchholz von der IG-Metall-Jugend hat sich ans Telefon gehängt und noch drei Busse eines Brandenburger Unternehmens aufgetan. Ein Fahrzeug sei binnen 24 Stunden voll gewesen, sagt Buchholz.

Man muss kein Prophet sein, um den Ansturm auf die Regionalexpresse an die Ostsee vorauszusehen. Zwar gibt es für die Gegend um Heiligendamm extra zum G-8-Gipfel ein mit der Bahn abgestimmtes Verkehrskonzept. Doch an die Strecke Berlin–Rostock hat niemand gedacht. Die Bahn plant nach Angaben eines Sprechers keine Verstärkung der Linie, nicht einmal für den großen Demotag, den 2. Juni. Ob der Regionalexpress mit mehr Wagen als sonst verkehren werde? Klare Antwort: „Nein.“

Das Chaos ist also programmiert, denn die Nachfrage nach Bus und Bahn wird in der nächsten Woche noch weiter steigen. Viele Aktivisten fangen jetzt erst an, die Reise nach Heiligendamm zu planen. „Die Berliner sind es nicht gewohnt, zu einer Demo fahren zu müssen. Deshalb überlegen sich viele zu spät, wie sie hinkommen“, sagt Sebastian von Eichborn von Attac Berlin. Seine Organisation werde sich mit den anderen Verbänden noch einmal zusammensetzen, um weitere Transportmöglichkeiten auszuloten. Doch auch von Eichborn glaubt: „Einige werden wohl mit ihren Plakaten in Berlin stehenbleiben.“

Eine Auflistung der Busse gibt es unter www.heiligendamm2007.de/Demo_ Anreise.html

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