: Protestanten wollen Kreuzberg verlassen
Eltern wollen eine evangelische Privatschule in SO 36 gründen. Die grüne Stadträtin lehnt ab: Am geplanten Standort gebe es genug Schulen. So vertreibe man engagierte Eltern, kontern die Eltern und drohen, ihre Koffer zu packen
Drei Privatschulen gibt es bislang in Kreuzberg: Freie, Waldorf- und Islamische Schule. Und wenn es nach der Schulstadträtin des Bezirks, Monika Herrmann (Grüne), geht, soll das vorerst auch so bleiben. Das beklagen jedenfalls Eltern, die dort eine Privatschule gründen wollen. Träger ist die Schulstiftung der Evangelischen Kirche, die bereits 16 Grund- und Oberschulen in anderen Bezirken betreibt. Anvisierter Standort ist ein altes Schulgebäude mitten im Multikulti-Kiez nahe Görlitzer Park und Kottbusser Tor.
Beim ersten Gespräch mit der Stadträtin habe man noch „positive Signale“ erhalten, sagt Angelika Klein-Beber vom Förderverein der Privatschule. Doch beim zweiten Treffen, als es um den möglichen Standort der Schule ging, habe Herrmann ihnen „die kalte Schulter gezeigt“. Das Argument der Stadträtin, so Klein-Beber: Sie wolle keine Konkurrenz für die öffentlichen Schulen.
Stimmt nicht, sagt Stadträtin Herrmann. Sie habe sich nur gegen den geplanten Standort ausgesprochen, denn dort sinke die Zahl der Schüler. Dies bedeute aber nicht, dass sie prinzipiell gegen Privatschulen sei. Sie habe gerade einem anderen Projekt in Friedrichshain grünes Licht erteilt und den Eltern der Kreuzberger Initiative zwei andere Standorte angeboten: einen in Friedrichshain und einen nahe dem Marheinekeplatz.
Das seien keine geeigneten Alternativen, urteilt Annerose Steinke von der Schulstiftung der Evangelischen Kirche: „Die Eltern der Gründungsinitiative wollen in ihrem Kiez bleiben.“ Sie seien aber mit den vorhandenen Schulen nicht zufrieden – denn ihre Kinder bekämen dort „nicht die Betreuung, die sie sich für sie wünschen“. Außerdem führe der „hohe Ausländeranteil“ dazu, dass „ihre Kinder in der Minderheit“ seien. Viele überlegten daher, den Kiez zu verlassen. „Wenn der Bezirk eine bestimmte Klientel halten möchte, muss er auch Angebote für diese zulassen“, so Steinke.
Die Privatschule könne sogar manche Eltern reizen, in den Kiez zu ziehen, meint Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion: „Die evangelische Kirche ist eine erfahrene und angesehene Schulträgerin.“ Es sei deshalb wahrscheinlich, dass der Senat keine Einwände gegen die Schule erhebe. Dann liege es allein am Bezirk, deren Öffnung zu ermöglichen, so Senftleben. Schließlich sei das Angebot auch ein neues Element für die Vielfalt des Bezirks.
Genug vorläufige Anmeldungen für zwei erste Klassen liegen dem Förderverein nach Eigenangaben bereits vor. Muslimische Kinder seien bisher nicht darunter, „die würden wir aber nehmen“, sagt Vorstandsmitglied Klein-Beber. Bei türkischen Nachbarn sei das Projekt auf positive Resonanz gestoßen.
Die evangelischen Kitas im Kiez sind auch bei muslimischen Eltern beliebt: Bis zu 80 Prozent der Kinder dort sind nach Auskunft der Kitaberatung der Evangelischen Kirche islamischer Religionszugehörigkeit. An den Evangelischen Schulen ist der Anteil dann nicht mehr so hoch: 16 Prozent der GrundschülerInnen der Evangelischen Schule Neukölln sind Nichtchristen. Die Teilnahme am evangelischen Religionsunterricht ist dort Pflicht.ALKE WIERTH
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