piwik no script img

So klappt’s auch …

... MIT DEM KLEIDERTAUSCH

VON WALTRAUD SCHWAB (TEXT) & ELÉONORE ROEDEL (ILLUSTRATION)

Ein Paket mit sieben Hosen, eins mit zehn Blusen, eins mit einem Haufen „Klamotten für Disco und Büro“ und noch fünf weitere Bekleidungspakete hat eine Kollegin bei Ebay ersteigert. Denn manche der Leute, die dort was verkaufen, machen sich gar nicht erst die Mühe, jedes Kleidungsstück einzeln anzubieten. Die Kleiderpakete oder Hemdenkonvolute sind die Wundertüte in der Wundertüte auf der Versteigungsplattform. Sie sollen einen Kleidertausch aufpeppen, zu dem wir uns verabreden, an einem Samstagmittag zum Brunch. 48 Euro wurden für die Klamotten bezahlt. 27 Euro Porto kam dazu. Jede bringt noch was mit – das Sattgesehene, das Aussortierte.

Kleidertausch an sich ist endlich: Man kennt sich, man weiß, wer was trägt. „Ich zieh nicht gern Sachen an, von Menschen, die ich kenne“, sagt eine Kollegin. Eine andere: „Ich besitze gern Sachen von Menschen, die ich kenne. Anziehen tue ich sie nicht.“ Die Überraschungspakete – alles ersteigert in einer Größe, die den meisten von uns passt – vergrößern unsere Möglichkeiten.

Klamotten sind politisch. Die Politik der Bekleidungsindustrie beklagenswert. Eine erschlagene Frau, ein erschlagener Mann, gebettet in eingestürzten Mauern, eng umschlungen die beiden, fotografiert beim Einsturz der Textilfabrik im April 2013 in Bangladesch. Zweitausend Menschen sterben in den Trümmern. Das Fresko, als Foto erhalten, zeigt, was passiert, wenn Rendite wichtigstes Kriterium der Unternehmensphilosophie ist. Unmenschliche Arbeitsbedingungen herrschen in vielen Nähereien und Bekleidungsfabriken in Asien und Billiglohnländern auf anderen Kontinenten. Große Designmarken wie auch Ladenketten lassen dort produzieren, wo die Gewinnmargen am besten, die Löhne am niedrigsten, Gewerkschaften schwach, Sozial- und Umweltstandards aufgeweicht sind.

Aber ökologisch und fair produzierte Kleidung ist – wenn auch mittlerweile modisch – meist teuer. Da bietet sich als weitere Möglichkeit, sich nicht von den Unternehmen gängeln zu lassen, Secondhand an. Nicht nur auf der alternativen Plattform utopia.de wird das propagiert, auch die Frauenzeitschrift Brigitte machte kürzlich diesen Schlenker, setzt Links, wo man Bekleidung secondhand bestellen kann, wenn man nicht auf den Flohmarkt will: kleiderkreisel.de, kleiderkorb.de, hood.de, rebelle.com sind einige. Auf manchen Plattformen wird mit Festpreisen gehandelt, andere funktionieren auf Versteigerungsbasis wie Ebay, der Platzhirsch. Ob Ebay gut oder böse ist, ist eine andere Frage. „Ich bin durch Ebay jedenfalls darauf gekommen, mehr Secondhand zu tragen, weil ich Flohmärkte hasse“, sagt eine von uns.

Und dann werden die Pakete geöffnet. Juchhu, oje, mein Gott, nein, ja, first come, first serve. Manches war neu, manches war unsäglich, ein Ganzkörpersack, ein Herzchenoutfit, ein goldener Aufdruck: Generation Star 1964. Dazwischen: auch Schönes. Die Bleistiftröcke aus dem Discopaket gefallen einer von uns, die indische Seidenbluse aus dem Blusenpaket einer anderen. Die Hose, ganz auf Figur, mit Lederbändern dekoriert, wird für mich für gut befunden. Die Lederbänder entferne ich umgehend. Die schwarze Bluse mit den Rüschen gefällt einer vierten. „Kann man die Ärmel entrüschen?“, fragt sie. Man kann, befindet eine Kollegin, nimmt Nadel und Faden und geht zu Werke, dazwischen isst sie Kuchen.

Eine Zeit lang wühlen wir uns vorsichtig gierig durch die Kisten. Und als klar wird, dass für jede was da ist, verschwindet das vorsichtig Gierige, und wir beginnen, gegenseitig zu überlegen, wem was am besten steht: Dir das. Guck doch mal genau. Wenn du das ein wenig hochziehst. Mit einem Gürtel vielleicht. Ja sicher, die Hose musst du kürzen. Und dann beginnen wir, uns Gedanken über die Fremden zu machen, die das vorher trugen. Die, der das Hosenpaket gehörte, stand auf Leder. Die, der das Discopaket gehörte, auf Glitzer und Weichspüler. Was sagt das?

Am Ende bekommt jede was, das Beste ist verteilt, und das wirklich Wichtige wird wichtig: das Ich, das Du, das Er, Sie, Es, das Wir, Ihr, Sie.

Was übrig blieb aus den Kisten und dem Mitgebrachten wurde teils in den Kleidercontainer gesteckt – zu unsäglich der Ganzkörpersack, das Herzchenoutfit und Generation Star 1964. Anderes wurde auf Ebay wieder eingestellt. Das mit dem Versteigern dürfte die, die es ersteigerten, gefreut haben. Vier Pakete gingen für je einen Euro weg. Eines für 4,50 Euro.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen