GEHT’S NOCH?: Criticize it!
KIFFEN ALS THERAPIE? NACH DEM KÖLNER CANNABIS-URTEIL KENNT DIE ERLAUBNISORGIE HIERZULANDE KEINE GRENZEN MEHR
Das Schandurteil öffnet Manipulationen Tür und Tor. Da es besagt, dass die Cannabis-Anbauräume für Unbefugte wie zum Beispiel Handwerker unzugänglich sein müssen, will nun keiner mehr Handwerker sein. Alles geht kaputt und niemand repariert es: Ziegel fallen vom Dach, Wasserklosetts laufen über, Flughäfen werden nicht fertiggestellt. Stattdessen wollen alle krank sein. Man kennt diese Simulanten: Sie schinden blaue Montage, Elfmeter und nun auch noch das Recht, auf Dachterrassen Sativa anzupflanzen. Und wieder bleiben die Handwerker außen vor, sind die Parias einer dauerbreiten Gesellschaft.
Muss man denn wirklich immer mehr erlauben? Und das in einem Land, in dem ohnehin schon viel zu viel durchgeht: Man darf mit dreihundert Sachen über die Autobahn brettern, andernorts schwere und schwerste Delikte wie Anlagebetrug, Körperverletzung und Vergewaltigung gelten hier als Bagatellen, Bürger geben sich in Parks und öffentlichen Verkehrsmitteln gnadenlos die Kante mit Gegorenem. Was kommt morgen, wenn wir heute den Hanfanbau freigeben für alle, die sich „krank fühlen“? Sagen wir es frei heraus: Als Nächstes werden folgerichtig Mord und Totschlag legalisiert. Der Mensch wird dem Menschen Wolf sein. Alle werden sterben.
Blicken wir nun kurz auf die lachhaften Einwände derjenigen, die kluge und stringente Argumentation seit jeher anzieht wie das verwesende Eichhorn unterm Busch die Aaskäfer: Der Betrunkene, der böse Bruder des Bekifften, sei doch weitaus schlimmer und das Trinken gehöre ja wohl viel eher verboten. Rabäh, rabäh, rabäh. Man sieht sie förmlich vor dem inneren Auge quengeln, gleich Kindern, denen man das dritte Eis verweigert hat.
Dabei sind einige ihrer Punkte noch nicht mal völlig falsch: Betrunkene verhöhnen tatsächlich Gegner, schießen Flugzeuge ab und fahren in Schlangenlinien, was den Benzinverbrauch erhöht. Kiffer hingegen gucken niedlich, streicheln gurrend ihren Nächsten und ihr Geist geht auf Gleitzeit. Doch was, so stellt sich nun die Frage, wäre, wenn das alle machen würden? Wir hätten keine Gegner mehr, niemand würde neue Flugzeuge bauen, das Benzin schimmelte in den Tanks. Der Kapitalismus ginge zugrunde und damit auch wir. Wollen wir das im Ernst?
Nur eine mögliche Lösung würde sowohl den wenigen wirklich chronisch Kranken als auch dem gesunden Rechtsempfinden gerecht: Lasst die Handwerker hinein und an der Ernte teilhaben. Sie werden zwar etwas langsamer arbeiten, doch dafür auch etwas später kommen. Und alle werden zufrieden sein. ULI HANNEMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen