: Outsourcing bei der WASG
Auf ihrem Parteitag beschließt die WASG die Gründung einer Regionalorganisation. Darin wollen die Gegner einer Fusion mit der PDS Oppositionspolitik machen
von gitte diener
Einmal über den roten Teppich laufen, kurze Reden halten, bedeutsam sein: auf der Bühne des Kreuzberger Bürgersaals konnten sich die Delegierten des WASG-Landesparteitags am Samstag diesen Traum erfüllen. Einige ernteten tosenden Applaus, andere vernichtendes Gelächter. Alle boten sie Antworten auf eine entscheidende Frage an: Wie bleibt die Partei auf dem roten Boden der Politik; soll sie mit der PDS fusionieren oder eigenständig weitermachen?
Die Fusionsgegner um die einstige Spitzenkandidation Lucy Redler waren am Schluss in der Mehrheit: 62 der 116 Delegierten stimmten dem Leitantrag des Landesvorstandes zu. Darin werden die Mitglieder aufgefordert, bei der geplanten bundesweiten Urabstimmung gegen die Fusion der Bundes-WASG mit der Linkspartei.PDS zu votieren. Die ist nach Ansicht des Berliner Vorstands jedoch kaum zu verhindern. Deswegen enthält der Antrag gleich noch eine Entscheidung: Kommt es bundesweit zur Fusion, wird sich der Berliner Verband aufspalten. Ein Teil, darunter der Vorstand um Redler, will eine eigenständige „Regionalorganisation“ gründen. 44 Delegierte stimmten gegen den Leitantrag, 10 enthielten sich.
In dieser Abspaltung sehen die Fusionsgegner die einzige Möglichkeit, in Berlin glaubwürdig Politik betreiben zu können. Hier ist die PDS Teil der Regierungskoalition, die WASG in der Opposition. In Fragen wie der Privatisierung der Sparkassen und der Wohnungsbaugesellschaften liegen beide weit auseinander. Deswegen wollen die Fusionsgegner auf Landesebene auf jeden Fall einen Schulterschluss vermeiden. „Die neue Linke wird eine Mogelpackung sein“, sagte Lucy Redler, „wir wollen kein linkes Feigenblatt sein.“
Klaus Ernst vom WASG-Bundesvorstand bedauerte die Entscheidung. „Als Regionalorganisation wird die Berliner WASG in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.“ Sein Vorstandskollege Axel Troost betonte jedoch: „Alle Mitglieder, die auch in Berlin den Weg in die neue Linke gehen wollen, haben unsere volle Unterstützung.“
Die Neugründung einer Regionalorganisation ist ein geschickter Schachzug von Redler und Co. Denn dafür genügte eine einfache Mehrheit der Delegierten. Für die Auflösung der Partei hätte es hingegen eine Zweidrittelmehrheit gebraucht, wie aus einem Rechtsgutachten des Vorstands hervorgeht.
Für Klaus-Dieter Heiser, selbst Fusionsbefürworter, basiert die Abstimmung dennoch „auf einer sehr unverlässlichen Grundlage“. Die Delegierten spiegelten nicht das Meinungsbild der rund 800 Berliner WASGler wieder, da sie bereits 2005 gewählt wurden. Ob die Mehrheit der Mitglieder die Fusion mit der PDS ablehne, müsse zunächst durch eine Befragung geklärt werden.
Heiser will nun mit den restlichen Fusionsbefürwortern bei einem Treffen mit dem Bundesvorstand Ende Februar diskutieren, wie der Einigungsprozess aussehen könnte. Stimmberechtigt werden dabei Mitglieder sein, die „vor der Versammlung schriftlich erklären“, für die Vereinigung zu sein, heißt es in der Einladung dazu. Heiser hat mit dieser Formulierung kein Problem und hält die Kritik, die am Samstag daran laut wurde, für „stark dramatisiert“. Es sei ein Zeichen der gegenseitigen Verlässlichkeit.
Unklar ist die Rechtsform der geplanten Regionalorganisation. Es könnte auch ein Verein sein. Laut Heiser wollen die Fusionsgegner einen Sonderfonds mit 20.000 Euro einrichten, u. a. aus Geldern der Wahlkampfkostenerstattung. Er soll den Start der Regionalorganisation finanzieren. Dann gibt es vielleicht auch für die Abtrünnigen bald wieder ein Möglichkeit, auf dem roten Teppich zu stehen.
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