Die Bauarbeiten am Tempelberg sollten zeitweise eingestellt werden: Öffentliche Absprachen sind nötig
Angenommen, Israel hätte die Bauarbeiten am Tempelberg für weitere drei Jahre aufgeschoben, um einen Partner zu finden, mit dem man die Dinge in Ruhe bereden kann. Und angenommen, die Brücke wäre wie schon früher zuvor eingebrochen und hätte diesmal Menschen in die Tiefe gerissen. Wie hätte die islamische Welt reagiert?
Die Bauarbeiten sind nötig, um die Besucher der Al-Aksa-Moschee zu schützen. Gezielte Provokation? Wohl kaum. Die Angelegenheit ist vermutlich viel simpler, als sie erscheint: Die Brücke stand auf der Liste der Restaurierungsarbeiten, die von der staatlichen Antiquitätenbehörde ausgeführt werden sollten.
Überraschend an der Sache ist, dass die Ausschreitungen an der sowohl Juden als auch Muslimen heiligen Stätte noch immer nicht ausreichten, um den Entscheidungsträgern die Lektion verständlich zu machen. Dabei geht es nicht etwa darum, dass die Reaktionen der islamischen Welt gerechtfertigt seien, denn das sind sie nicht. Doch das Wissen darum, dass der Gegner aus einer pragmatischen Entscheidung politischen Nutzen ziehen wird, verlangt eben mehr Behutsamkeit und Rücksicht.
Wie wenig rein informelle Absprachen taugen, die auch diesmal stattfanden, zeigt der folgenschwere Besuch Ariel Scharons am gleichen Ort vor gut sechs Jahren. Der palästinensische Sicherheitsdienst war über den geplanten Ausflug des israelischen Oppositionsführers zum Tempelberg informiert und wurde dann selbst überrascht von den Eskalationen, die der Besuch provozierte.
Was nötig ist, sind öffentliche Erklärungen über geplante Veränderungen und die Gründe dafür. Die Akteure auf der anderen Seite müssen einbezogen und ihre Zustimmung eingeholt werden. In diesem Fall wäre noch nicht einmal nötig gewesen, mit den Palästinensern zu verhandeln. Ein klares Wort vom jordanischen König hätte wohl schon gereicht. Abdullah war zwar über die geplanten Bauarbeiten informiert, an der Entscheidung darüber indes nicht beteiligt. Ihn zum Partner der notwendigen Restaurierungen zu machen, ist noch nicht zu spät. Nur müssten die Bauarbeiten vorerst eingestellt werden. SUSANNE KNAUL
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