: Staatspleite am Río de la Plata
ARGENTINIEN Letzte Runde im Streit zwischen Buenos Aires und zwei US-Hedgefonds gescheitert, das Land gilt als zahlungsunfähig
AXEL KICILLOF, WIRTSCHAFTSMINISTER
VON JÜRGEN VOGT
BUENOS AIRES/BERLIN taz | Deutschland ist trotzdem zuversichtlich: „Wir gehen davon aus, dass Argentinien seine Zusagen gegenüber dem Pariser Club weiter einhält“, erklärte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag in Berlin. Argentinien hatte der Gruppe staatlicher Gläubiger noch im Mai zugesagt, Rückstände von mehr als 7 Milliarden Euro zu begleichen. Deutschland ist mit einem Anteil von rund 2,6 Milliarden Euro größter Einzelgläubiger.
Die Frage nach Argentiniens Zuverlässigkeit ist berechtigt. In der Nacht war das Land zwölf Jahre nach dem ersten Zahlungsausfall erneut in die Zahlungsunfähigkeit geschlittert. Die Südamerikaner verweigerten im Rechtsstreit mit klagenden Hedgefonds in New York die fristgerechte Auszahlung von 1,33 Milliarden Dollar samt Zinsen.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s reagierte prompt und erklärte das Land für zahlungsunfähig. Die globale Finanzwelt dürfte dies, anders als 2002, jedoch diesmal nicht erschüttern, zumal Argentinien nach zwei Schuldenschnitten praktisch vom internationalen Kapitalmarkt abgekoppelt ist.
Doch dem rezessionsgeplagten Land droht Ungemach: „Die Folgen der Insolvenz sind unvorhersehbar“, prophezeite der vom Gericht bestellte Schlichter Daniel Pollack. „Die Geierfonds haben unser Angebot eines Schuldenumtauschs nicht akzeptiert,“ sagte Argentiniens Wirtschaftsminister Axel Kicillof. „Sie verlangten, dass wir mehr zahlen als an die übrigen Gläubiger. Das kann der argentinische Staat nicht tun.“
In einer knappen Mitteilung schrieb einer der beiden Gläubiger, der Hedgefonds NML Capital, der Vermittler habe zahlreiche kreative Lösungen vorgeschlagen, von denen viele akzeptabel gewesen wären, aber „Argentinien hat den Default gewählt“. Obwohl die Hedgefonds nur eine kleine Gruppe der Gläubiger stellen, hat die gescheiterte Schlichtung weitreichende Folgen: Durch Anordnung des Richters Thomas Griesa dürfen vorerst alle übrigen Gläubiger nicht ausbezahlt werden, die bei Schuldenschnitten auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet hatten. Wegen dieser „Automatik“ wird das Land nun paradoxerweise als „pleite“ eingestuft, obwohl es sich für zahlungsfähig hält. Wirtschaftsminister Axel Kicillof verwies vor Reportern darauf, dass die fällige Zinszahlung für die Anleihenbesitzer geleistet worden sei, die den Schuldenschnitt akzeptiert hatten. Diese haben jedoch kein Geld gesehen. Die entsprechende Summe in Höhe von 539 Millionen Dollar wurde auf Anordnung des New Yorker Richters auf dem Konto eines Treuhänders eingefroren.
Vorausgegangen war eine sechsstündige Verhandlungsrunde zwischen Kicillof, Pollack und Vertretern der Hedgefonds. Spätestens bis Mitternacht New Yorker Zeit hätte eine Einigung über den Umgang mit den Forderungen der Hedgefonds in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar plus Zinsen erzielt werden müssen. Erst danach hätte US-Richter Thomas Griesa die Blockade von Tilgungszahlungen an andere Gläubiger Argentiniens aufgehoben. Da die Zahlungen bis zum Ablauf der Frist nicht erfolgten, gilt Argentinien nun als teilweise zahlungsunfähig.
Ob die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas im Schuldenstreit ohne Blessuren davonkommen wird, bleibt offen. Das Land hat mit geschätzten 30 Prozent eine der höchsten Inflationsraten der Welt und könnte noch tiefer in die Rezession rutschen, womit auch der Lebensstandard der Argentinier weiter sinken dürfte. Durch die Zahlungsunfähigkeit dürften zudem Investoren abgeschreckt und der Peso abgewertet werden. Noch am Tag zuvor hatten die legalen und schwarzen Finanzmärkte am Río de la Plata auf einen positiven Ausgang gesetzt.
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