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Mangelware Sozialarbeiter

SOZIALE ARBEIT Trotz zahlreicher Stellenangebote im Bereich Soziale Arbeit klagen Jugendhilfe-Einrichtungen wie die Bremer Erziehungsstellen über Mangel an Fachkräften. Schuld daran sind schlechte Arbeitsbedingungen und die fehlende Anerkennung

Loyalitätskonflikte auszuhalten und zu vermitteln, ist eine besondere Schwierigkeit der Arbeit in den Erziehungsstellen. Belastung und Zeitaufwand sind hoch

VON JAN-PAUL KOOPMANN

Die Bremer Erziehungsstellen (ES) wissen bei der Suche nach Personal nicht mehr weiter. Ihre MitarbeiterInnen nehmen Heimkinder in ihre eigenen Familien auf und betreuen sie dort oft über viele Jahre. Zur Zeit versorgen die sozialpädagogischen Fachkräfte 44 Kinder, aber es könnten erheblich mehr sein: „Wir bekommen monatlich mehrere Anfragen vom Jugendamt, die wir nicht adäquat besetzen können“, sagt ES-Koordinator Uwe Rahenbrock. Der Grund: Fachkräftemangel.

Ob es den branchenweit gibt, ist freilich Ansichtssache. Tatsächlich können sich arbeitssuchende ErzieherInnen, Sozial- oder HeilpädagogInnen ihre Stellen heute aus einem recht großen Angebot aussuchen. Laut einer Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) liegt das vor allem am wachsenden Fachkräfte-Bedarf durch den Rechtsanspruch auf Kita-Plätze und am Ausbau von Ganztagsschulen. Auch sind in den letzten Jahren viele minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern ins Land gekommen, die Betreuung brauchen.

Trotzdem sind durchaus Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt verfügbar, wie Berufsfeldanalysen der Bundesagentur für Arbeit zeigen. Doch hätten die oft andere Vorstellungen als ihre ArbeitgeberInnen: So sind sie etwa nicht zufrieden mit befristeten Teilzeitstellen, die ihrerseits eine Reaktion auf die problematische Finanzierung durch Sozialbehörden sind. In Einzelfällen greifen Träger sogar bereits auf Zeitarbeitsfirmen zurück.

Die Arbeit der Bremer Erziehungsstellen wäre so nicht vorstellbar. Die Heimkinder stammen aus Familien mit Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen. Einige der Kinder und Jugendliche haben Gewalterfahrungen gemacht und sind schwer traumatisiert. Rahenbrock spricht von langfristiger Beziehungsarbeit: „Den Kindern einen verlässlichen und sicheren Lebensort zu geben und Familienrituale zu etablieren, ist das Wichtigste an unserer Arbeit“, sagt er. Dazu gehören nicht nur gemeinsame Mahlzeiten, sondern auch der Aufbau eines grundsätzlichen Vertrauensverhältnisses. In den Familien der BetreuerInnen bekommen die Kinder ein eigenes Zimmer und können auch über ihr Geld frei verfügen. Auch die Entwicklungsberichte ihrer BetreuerInnen dürfen sie lesen und sich erklären lassen.

Das alles erfordert Zeit und eine gründliche Vorauswahl. Wenn sich das Jugendamt mit einem Kind an die Erziehungsstellen wendet und dort geeignete Mitarbeiter vorhanden sind, folgt eine Kennenlernphase. „Oft entscheidet tatsächlich das Bauchgefühl“, sagt Fachberaterin Heidrun Begemann. Ist ein Kind schließlich bei einem Betreuer angekommen, wird das als halbe Stelle vergütet, einige nehmen auch zwei und arbeiten in Vollzeit. Ein solches Arbeitsverhältnis wird über Jahre eingegangen. Die meisten BetreuerInnen sind Frauen über 40 mit eigenen Kindern, alleinerziehend oder mit Familie. Auch homosexuelle Paare arbeiten bei den Erziehungsstellen. Die Voraussetzungen sind die nötige Lebenserfahrung, adäquates Wohnumfeld und die Fachausbildung. „Wir vermitteln keine Pflegeeltern“, sagt Rahenbrock und betont die professionelle Ausrichtung der Erziehungsstellen als Heimaußenplätze.

In regelmäßigen Treffen und Supervisionen tauschen sich die BetreuerInnen miteinander und mit den FachberaterInnen aus. Sie besprechen Probleme der Kinder, reden aber auch über eigene Schwierigkeiten – auch im Zusammenhang mit den leiblichen Eltern der Kinder. Denn sofern dies möglich ist, sind sie in die Arbeit einbezogen. Gelegentlich ist auch die Rückführung in die eigenen Familien Ziel der Arbeit. Entsprechende Loyalitätskonflikte auszuhalten und zu vermitteln, ist eine besondere Schwierigkeit der Arbeit in den Erziehungsstellen. Belastung und Zeitaufwand sind hoch.

Laut der AGJ liegt es aber weniger daran als an fehlender gesellschaftlicher Anerkennung, dass solchen sozialpädagogischen Berufen die Fachkräfte ausgehen – und an einem Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt: Weil die Kinder zunehmend bis in den Abend in Ganztagsschulen betreut werden, haben außerschulische Pädagogen erst spät Zugriff auf sie, woraus unattraktive und familienunfreundliche Arbeitszeiten folgen. „Warum also nicht gleich im neuen Arbeitsfeld Schule arbeiten?“ heißt es in der Untersuchung.

Die Erziehungsstellen suchen dennoch weiter nach MitarbeiterInnen, auch auf den traditionellen Plattformen. Auf den Fachberufsmessen der Hochschulen können sich die jungen AbsolventInnen laut Rahenbrock allerdings kaum vorstellen, allein für die Arbeit eine Familie zu gründen. Zumindest einen Gewinn bringen diese Bemühungen aber: Grundsätzliches Interesse sei dort sichtbar, so Rahenbrock, und diejenigen, die später in der Sozialbehörde oder bei Trägern landen, vermitteln gerne Kinder in die Erziehungsstellen.

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