WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT: In der Hauptstadt der Spione
Der Wiener ist ein Naturagent. Und seine Stadt ein wahres Schlaraffenland für Geheimdienstler.“ Daher verwundert es den österreichischen Autor und Journalisten Emil Bobi auch nicht, dass der jüngst enttarnte Maulwurf im deutschen Bundesnachrichtendienst von CIA-Mitarbeitern an der US-Botschaft in Wien geführt wurde.
Überhaupt: Wien. Ein Hot Spot der Spione, einer mit fünf Sternen. Seit Jahrzehnten Lieblingstreff all derer, die Geheimnisse sammeln, verwalten oder weiterverkaufen. Und ein Hort der Sicherheit. Denn die CIA-Leute, die den Spion beim BND beauftragt, betreut und bezahlt haben, brauchen keine Angst zu haben. Spionage ist in Österreich nur dann strafrechtlich relevant, wenn sie sich explizit gegen österreichische Einrichtungen richtet.
Emil Bobi lässt in seinem jetzt erschienenen Buch „Die Schattenstadt – Was 7.000 Agenten über Wien aussagen“ (Ecovin, 2014) unter anderen Siegfried Beer zu Wort kommen. Der ist Spionageforscher an der Uni in Graz und schätzt, dass etwa die Hälfte der rund 17.000 in Wien agierenden Diplomaten „zumindest eine Verbindung zu einer Geheimdienstorganisation haben“. 25 Jahre nach dem Mauerfall gelte immer noch: Die herkömmliche gegenseitige Ausspioniererei wird nicht weniger, nur neue Trends kämen dazu: die Wirtschaftsspionage.
Wien und Spionage, das ist wie Zucker im Espresso. Die genetische Neutralität des Wieners, schreibt Bobi, seine geniale „Geheimnisherauslockungsmethode namens Wiener Schmäh“, der unerschöpfliche Treibstoff Neugier und seine Basar-Intelligenz ergeben ein hintergründiges Wesen mit einem Hauch krimineller Energie, die ihn charmant und gefährlich erscheinen lassen. Hauptfeld ist die Spionage selbst, „wenn auch im engeren Sinne die Volksspionage in der eigenen Wiener Gesellschaft. In den Salons, in den Kaffee- und Stiegenhäusern, wo Geheimnisse und ihr Verrat eine gesellschaftliche Währung sind.“ Wien eben.
■ Der Autor ist Redakteur der taz
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