MATTHIAS LOHRE ÜBER DAS MEDIALE HOCH DES AUSSENMINISTERS: Guido von Arabien
Von „Westerwelles Wiedergeburt“ schreibt die FTD am Freitag. Spiegel Online beschwört den „langen Lauf zu sich selbst“ des Außenministers, spricht gar von „Guido Glückspilz“. Und Springers Berliner Boulevardblatt B.Z. freut sich über „Guido von Arabien“. Neuerdings erfährt der zuvor glücklose Minister und FDP-Chef ähnlich viel öffentlichen Zuspruch wie die Weltgegend, in der er sich so medienwirksam engagiert. Guido Westerwelles markige Worte vom Sieg der Freiheit kommen an. Doch er muss seinen Hang zum Pathos zügeln, sonst könnte er großen Schaden anrichten.
Vor zwei Wochen sagte der Minister über Libyens Machthaber Gaddafi: „Die Zeit des Diktators ist vorbei. Er muss gehen. Punkt. Aus.“ Endlich konnte der Außenminister wieder seiner Neigung zur Überspitzung, die in seinem Amt zu normalen Zeiten verpönt ist, ausleben. Diesmal gibt er ihr nach, und zwar im Namen Deutschlands und der EU. Das ist gefährlich.
Westerwelle nutzt die überraschenden Umbrüche in einer der wenigen Weltgegenden, die das Bundeskanzleramt nicht zu seinem Revier erklärt hat. Noch bei den Umbrüchen in Tunesien und Ägypten wirkte Westerwelle ratloser als die ohnehin zögerliche EU. Nun scheint ihn die Aussicht, im libyschen Bürgerkrieg Teil eines Ringens zwischen Gut und Böse zu sein, zu pathetischen Formulierungen zu verleiten. Beispielsweise der, kein Mitglied des Gaddafi-Clans könne „damit rechnen, davonzukommen“.
Im besten Fall zügelt Westerwelle künftig seine Wortwahl. Ein gutes Zeichen sind seine jüngsten Äußerungen zu Sinn und Folgen einer Flugverbotszone über Libyen. Weitere Überspitzungen aber würden in Nordafrika hohe Erwartungen wecken, die zu enttäuschen fatale Folgen hätte. Früher schadete Westerwelles Übermut nur dem Ansehen der FDP, heute womöglich dem der EU.
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