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Bekenntnisse eines Altmodischen

Hans-Christoph Jahr ist der neue Rektor der Hochschule Bremen. Vor allem aber ist der Jurist, Ökonom und Philosoph ein Kämpfer für die Gleichberechtigung aller Hochschulen. Und ein elitärer Bildungsbürger mit großen Erwartungen an all jene, die über Bildung reden wollen

VON JAN ZIER

Er ist elitär. Und steht dazu. „Wer heute über Bildung spricht“, sagt Hans-Christoph Jahr, „bei dem setze ich voraus, dass er Aristoteles, Platon und Thomas von Aquin kennt“. Und Namen wie Schleiermacher, Humboldt, Adorno oder Marcuse, findet Jahr, „die sollten auch geläufig sein“.

Wenn Hans-Christoph Jahr, der künftige Rektor der Hochschule Bremen, also über Bildung spricht, dann mit Thomas von Aquin, dem katholischen Kirchenlehrer aus dem 13. Jahrhundert – dessen Texte er „im Übrigen“ nur im lateinischen Original liest. Weil der 54-Jährige von einem humanistischem Gymnasium kommt, und dort „genügend“ mit dem Griechischen wie Lateinischen „geknechtet“ wurde. Weil er, der Professor für Wirtschaftsrecht der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, nicht nur Jura studiert hat, sondern auch Betriebswirtschaftslehre und Philosophie. Weil er, ein klassischer Bildungsbürger, dem alten, dem ganzheitlichen Humboldt’schen Bildungsideal nachhängt. „Ich bin altmodisch“, sagt er dann, „weil ich das Alte noch kenne“. Er kennt es, aus einer Universität, die damals als äußerst rot galt, der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Eine Uni, in der Jürgen Habermas Professor war, Habermas, den sie heute als den größten lebenden deutschen Philosophen preisen. Eine Uni, in der Daniel Cohn-Bendit, heute EU-Parlamentarier, noch der Studentenrevoluzzer war. „Dany“, wie Jahr ihn nennt.

Dass Jahr am 1. Juni an der Hochschule in Bremen anfängt, ist ein Zufall. Er kennt sie bislang eher nur aus dem Internet. „Aber hier war gerade eine Stelle frei.“ Und er wollte gern einmal Chef werden, als Krönung einer Karriere, die ihn mit 27 zu einem der jüngsten Strafrichter der damaligen Bundesrepublik werden ließ, und mit 47 zum Geschäftsführer einer Firma, die mit Biokraftstoffen handelt.

Manchen gilt er als Putschist, hat er doch den amtierenden Rektor Elmar Schreiber überraschend aus dem Amt vertrieben. „Das war keine Entscheidung für mich“, sagt auch Jahr, sondern eine Abwahl. Schreiber wurde zum Verhängnis, das er 18 Monate ebenso stolz wie geheim an einer „Projekt zwei“ genannten Reform der Hochschule plante, einer Revolution von oben. Aus jetzt neun Fachbereichen sollten drei werden, sechs Dekane wären so auf einen einen Schlag überflüssig geworden. Die Dekane meldeten Widerstand an, Dekane wie auch Hans-Christoph Jahr heute noch einer ist. „Ich habe manche Schlacht geschlagen“, sagt er. „Nicht immer bin ich ungeschlagen vom Feld gegangen. Aber immer aufrecht.“

Jetzt tritt er an, ein letzte Bastion der Hochschullandschaft einzureißen – und von den Universitäten die Gleichberechtigung aller Hochschulen einzufordern. Die Unterscheidung zwischen Fachhochschulen und Universitäten ist für ihn nur eine formale, keine qualitative. AbsolventInnen einer Fachhochschule dürften nicht länger schlechter bezahlt werden als jene aus der Uni, sagt Jahr – „ganz im Gegenteil“. Vor allem aber kämpft er dafür, dass auch Fachhochschulen promovieren und für wissenschaftliches Arbeiten Doktortitel verleihen dürfen. Das bremische Hochschulrecht erlaubt das – im Prinzip. Alles weitere wissen die Unis zu verhindern. „Die Fachhochschulen sind nicht das Schmuddelkind in einer Spielgemeinschaft“, sagt Jahr. „Und das werde ich deutlich machen.“ Es klingt wie eine Drohung.

Jahr ist davon überzeugt, dass es die Fachhochschulen sind, die am Ende überleben werden. Aber nicht als „erweiterte Berufsschulen“. Nicht als Ort, „an dem Roboter gezüchtet werden“. Und auch nicht als Unternehmen. Jahr ist ein Ökonom, der für seine Fachhochschule nicht die Kriterien des Marktes gelten lassen will, lieber vom „nicht messbaren Gewinn“ spricht.

Und vom Grundsätzlichen. „Wir schießen Menschen auf den Mond, das Weltall ist uns Untertan. Aber wir haben ein Weltbild, dass noch 300 Jahre zurückreicht.“ Und genau da sieht er auch die Aufgabe der Hochschule. Über das Verhältnis von Geist und Natur soll sie reden, Debatten über die Folgen der Technik führen. Kein Wunder, hält er doch den dänischen Atomphysiker und Einstein-Freund Niels Bohr für den größten Philosophen des 20. Jahrhunderts.

„Herrschaftsfrei“ soll dieser Diskurs sein, betont er stets. „Denn ich bin kein verhinderter ostelbischer Landjunker.“ Jahr ist keiner, der der gängigen Forderung das Wort redet, RektorInnen bräuchten „mehr Macht“. Jahr will „Primus inter pares“ sein, der Erste unter den Gleichen, dabei die „Einmütigkeit“ pflegen, „eben so, wie das basisdemokratisch vorgesehen ist“.

An seiner bisherigen Hochschule in Wilhelmshaven hat er auch einen Spitznamen, einen lateinischen, versteht sich: „Pater Familias“ haben sie ihn genannt, zu deutsch: Vater der Familie. Er ist der Herr im Haus.

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