: „Den Zwang aussetzen“
FEIER Die Bremer Böhnhasen feiern die gesetzliche –und kämpfen für die faktische Gewerbefreiheit
■ 44, Stroh- und Reetdachdecker ohne Meisterbrief seit 1996, Sprecher der Bremer Böhnhasen – Bund unabhängiger Handwerker, unterrichtet Betriebskunde.
taz: Herr Kuckuk, was feiern Sie?
Jonas Kuckuk: Die Gewerbefreiheit. Die ist am 4. 4 1861 eingeführt worden, und galt von einem Tag auf den anderen …
… aber doch mit der Einschränkung des Meisterzwangs, gegen die Sie sich wehren!
Ja, wir, also die Böhnhasen, der Bund unabhängiger Handwerker, halten den Meisterzwang für illegal. Er gefährdet das Grundrecht auf freie Berufswahl. Deshalb war er nach dem Zweiten Weltkrieg von den Allierten aufgehoben worden – und durfte nur wieder eingeführt werden mit dem Versprechen, zu prüfen, ob er mit dem Grundrecht vereinbar ist.
Ja und?
Die Überprüfung hat nie stattgefunden: Keiner hatte Lust, sich mit der Zünfte-Lobby anzulegen.
Die sagen: Der Meisterbrief garantiert Qualität. Das ist doch ein Argument.
Aber kein stichhaltiges.
Inwiefern?
Das weiß doch Hans und Franz! Jeder war schließlich schon mal unzufrieden mit einem Handwerker – trotz Meisterzwangs. Also kann der Schein die Qualität ganz offensichtlich nicht garantieren. Die Garantie dafür ist die Gewährleistungspflicht. Aber der unterliegen alle Anbieter gleichermaßen, ob mit oder ohne Meisterbrief. Es ist ja auch nicht so, als würde der Meister die Leistung erbringen. Der sitzt oft nur im Büro – während die Gesellen und Lehrlinge draußen hämmern und schrauben.
Also alles ein überflüssiges Relikt aus dem Mittelalter?
Nicht einmal da wurde es so streng gehandhabt, gerade in Bremen nicht.
Wie bitte?
Als man Bremen auf das verschlammte Loch der heutigen Neustadt ausdehnen wollte, hat man gemerkt, dass der Zunftzwang die eigenen Interessen behindert – und ihn dort ausgesetzt. Die Neustadt ist von Freimeistern erbaut. Das ist auch meine Vision …
Was?
Dass Bremen sich auf die Möglichkeit besinnt, den Zwang regional auszusetzen. Nie war die Gelegenheit günstiger. Der Senat müsste nur verkünden: Damit ist Schluss, der Meisterzwang veletzt Grundrechte. Er schadet dem Wettbewerb, und damit letztlich der Qualität.
INTERVIEW: BES
Feier: Marktplatz, ab 15 Uhr
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