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Ich hab jetzt eine Klasse in Berlin

ERSTER SCHULTAG „Icke“ war gestern: 45 Prozent der neuen Berliner Lehrer kommen aus anderen Bundesländern. Zum Schulstart verkündete die Bildungssenatorin viele Erfolge. GEW ist skeptisch

Kleine Rechenstunde

■ Am Montag beginnt das neue Schuljahr – jedenfalls für knapp 300.000 der insgesamt 329.630 Schülerinnen und Schüler an den allgemein bildenden Schulen Berlins. Für die 30.900 ErstklässlerInnen beginnt die Schule mit den Einschulungsfeiern am Samstag, erster Schultag ist dann der 1. September. Die Gesamtschülerzahl ist um etwa 5.000 höher als im vergangenen Schuljahr.

■ In Berlin gibt es 366 staatliche und 49 private Grundschulen. Von den 205 staatlichen Oberschulen sind 88 Gymnasien und 117 Integrierte Sekundarschulen (ISS), davon 21 Gemeinschaftsschulen. Daneben gibt es 63 Oberschulen in privater Trägerschaft.

■ An den staatlichen Schulen werden im neuen Schuljahr 27.186 Lehrkräfte arbeiten, das sind etwa 1.150 mehr als im vergangenen Schuljahr. Berlin gibt für jede Schülerin und jeden Schüler etwa 7.900 Euro jährlich aus und liegt damit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 6.500 Euro (2011). (akw)

Warum nicht auch mal eine gute Nachricht: Schule kann ab Montag wieder stattfinden. Mit Lehrkräften, in geschlossenen Räumen und sogar mit qualitätskontrolliertem Mittagessen.

Für Letzteres hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) eigens eine Kontrollstelle eingerichtet. Die soll überwachen, dass sich die Catererfirmen, die Berlins SchülerInnen bekochen, die für Schulessen vereinbarten Qualitätsstandards einhalten.

Und das war nur eine der guten Nachrichten, die die Senatorin auf ihrer Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn vergangene Woche zu verkünden hatte. Auch die angepeilte Anzahl neu einzustellender LehrerInnen sei erreicht worden, so Scheeres: Bei 2.600 lag der Bedarf, 600 davon seien bereits im Februar und 2.000 jetzt eingestellt worden. Der Lehrermangel, ein Berliner Dauerproblem, ist damit immerhin für dieses Schuljahr behoben. Nicht aber, was ihn verursacht: das hohe Durchschnittsalter der Kollegen, die steigende SchülerInnenzahl – und der schlechte Ruf der Berliner Schulen. Dieser hat Lehrkräfte aus anderen Bundesländern oft vom Wechsel abgehalten. Dagegen habe man mit Kampagnen in Lehrerseminaren anderer Länder erfolgreich gekämpft, so Scheeres: Fast 45 Prozent der neuen Lehrkräfte kämen von außerhalb, 8 Prozent etwa aus Baden-Württemberg, 7 aus Bayern.

Dass 15 Prozent der Neulehrer QuereinsteigerInnen sind – HochschulabsolventInnen zwar, aber ohne Lehramtsstudium und Staatsexamen – ficht Scheeres nicht an: Mit außerschulischer Berufs- und Lebenserfahrung brächten diese „Praxisnähe“ in die Schulen. Viele verfügten zudem über pädagogische Erfahrungen, so die Senatorin: Sie seien etwa wissenschaftliche MitarbeiterInnen an Hochschulen oder VolkshochschullehrerInnen gewesen. Weitere pädagogische Kenntnisse erhielten sie in den schulpraktischen Seminaren, die sie 18 Monate gemeinsam mit den klassischen LehramtsanwärterInnen besuchen.

Auge auf Quereinsteiger

Sigrid Baumgardt, Berliner Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, sieht das skeptischer. Zwar ist sie nicht grundsätzlich gegen Quereinsteiger, „aber man muss ein Auge darauf haben, wie die sich bewähren“. Selbst wenn diese vorher etwa an Volkshochschulen unterrichtet hätten, hätten sie nur „Erfahrung mit hoch motivierten Erwachsenen“, so Baumgardt, „an Brennpunktschulen sieht die pädagogische Herausforderung aber anders aus“. Vor allem dort häuften sich die Quereinsteiger, da ausgebildete Lehrkräfte „sich die Schulen aussuchen können, wo sie hingehen“. Die GEW-Vorsitzende begrüßt, dass Scheeres Schulen künftig wöchentlich zwei Extrastunden pro Quereinsteiger gewährt, in denen dieser durch erfahrene Lehrkräfte betreut werden kann. Doch gerade Brennpunktschulen brauchten „noch mehr Unterstützung“.

Eine weitere Neuerung ab kommendem Schuljahr: 32 Schulen mit einer Schülerzahl von mindestens 900 sollen Verwaltungsleiterstellen bekommen – eine Reaktion auf Klagen von Schulleitern über zunehmende Bürokratie. Die entsteht unter anderem durch die Verwaltung zusätzlicher Finanzmittel wie des Berliner Bonusprogramms für Brennpunktschulen oder des Bildungs- und Teilhabepakets des Bundes.

Erschwert werden soll das Schuleschwänzen: Statt wie bisher nach 10 unentschuldigten Fehltagen am Stück soll es künftig schon bei 5 insgesamt eine Schulversäumnisanzeige geben. Die kann die Einschaltung des Jugendamts oder sogar eine Bußgeldstrafe nach sich ziehen.

Den Schwerpunkt im kommenden Jahr will Scheeres auf den Aufbau der geplanten Jugendberufsagentur legen. Die Schnittstelle zwischen Jobcentern, Jugendberufshilfe und Bezirken soll Schulabgänger künftig besser über ihre Berufschancen informieren. ALKE WIERTH

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