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Kuren in der Brauerei

Als erstes Hotel in Deutschland bietet das Berliner Centrovital ein Kurprogramm in der Großstadt an. Zwischen Erholen und Therapieren bleibt Zeit für Ku’damm-Bummel und Pergamonmuseum

VON CHRISTINE BERGER

Das Herz klopft zu schnell, der Rücken schmerzt, und genügend Schlaf wäre auch mal wieder fällig. Auf dem Weg zur Kur fährt der Bus vor der Nase weg, im Lauftempo geht es an der Havel entlang bis zur ehemaligen Spandauer Schultheiss-Brauerei, einem roten Backsteingebäude, das statt Trunkenbolden jetzt der Gesundheit zugutekommt. Vor drei Jahren hat hier das „Centrovital“ eröffnet, ein Hotel mit angeschlossenem Ärzte- und Therapiezentrum sowie einem schönen Wellnessbad.

Und hier soll ich mich also erholen. Stadtkuren: Weg von der Stadt und doch ganz nah dran, das ist das Konzept für Berlinbesucher, aber auch Einheimische. Was mir guttut, weiß ich gleich, als ich die freundliche ovale Therme sehe. Hier den Tag vergammeln im Liegestuhl oder den Honigaufguss in der Sauna genießen, dann oben auf der Dachterrasse in der Sonne auf die Havel blinzeln. Doch damit ist erst mal nichts. Erst mal kommt nämlich der Gesundheits-Checkup, in meinem Falle zunächst der Besuch bei der Ernähungsberaterin Frau Spellerberg. Die 45-jährige Ökotrophologin bittet bei einer 6-Kräuter-Teemischung zum Gespräch. Ich muss an mein Frühstück denken, ein Stück völlig überzuckerten Kranzkuchen, immerhin mit Rosinen drin. Doch statt böser Fragen nach meinem Essverhalten geht es um die Aufpäppelung meines Allgemeinwissens. Etwa, dass Kartoffeln mit Käse und Sahne eine ideale Kombination ist, da das die Versorgung mit Muskeleiweiß optimiert. Das gilt auch für die Kombination von Tofu und Hülsenfrüchten. „Die Mexikaner sind vorbildlich“, so Frau Spellerberg. Mais, Avocados und Linsengemüse etwa seien eine ideale Kombination, wenn man wenig Fleisch esse. Leider sei das Wissen der Deutschen darüber, welche Kombinationen in der Ernährung wichtig sind, verschüttet. „Männer empfinden es häufig als Mangel, wenn kein Fleisch auf den Tisch kommt.“ Gerade die Kriegskindergeneration sei da sehr geprägt. Ich lerne auch, dass Diäten Quatsch sind und dass es vielmehr um Persönlichkeitsentwicklung geht. „Der Wille, etwas an sich zu verändern, Gewohnheiten abzulegen, ist wichtig“, so die Ernährungsexpertin. Weshalb sie auch Kurse anbietet, in denen die Teilnehmer ein Jahr lang das „Verändernwollen“ trainieren und nebenbei abnehmen.

Die Stunde ist um, als Nächstes kommt der Besuch beim Orthopäden. Dimitrios Totkas ist ein agiler Mann, studierter Sportlehrer und Mediziner. Die Diagnose Bandscheibenvorfall ist für ihn eher harmlos. Er hat vorher in einem Rehazentrum für Unfallopfer im Spreewald gearbeitet, da ist er einiges gewohnt. „Nehmen Sie 1.000 Spandauer, davon haben 100 mindestens einen Bandscheibenvorfall, und 50 merken das gar nicht“, beruhigt er. Joggen könne ich auch, wenn es nicht gerade auf Asphalt sei. Und er gibt noch einen Tipp: „Wenn Sie keine Schmerzen haben, lassen Sie nichts machen.“

Wieder geht es am Bad vorbei. Doch statt in das blaue Oval einzutauchen, führt die Kur in den ersten Stock ins Fitnesscenter. Dreitausend Quadratmeter voll mit neusten Geräten, Bildschirmen und Computern. Von den Foltermaschinen hat man wahlweise den Blick auf die Havel oder in die Therme. Ich laufe mich auf dem Cross-Stepper warm, mein Herzschlag geht auf 158, „zu viel“, so die Personal Trainerin Ulrike. Sie ist gelernte Sportassistentin und stellt an allen Geräten, die ich benutze, an den Displays mein persönliches Profil ein. „Beim nächsten Mal müssen Sie nur Ihren Code eingeben, und alle Geräte, die Sie benutzen, sind passend eingestellt.“ Praktisch.

Kurz vor dem Mittagessen geht es zur Physiotherapie. Die Masseurin kommt aus Bayern und findet schnell die finsterste Verspannung. „Hier unter dem Schulterblatt“, ruft sie triumphierend und knetet an dem wunden Punkt herum. Dank meines Bandscheibenvorfalls bin ich Schmerzen gewöhnt und presse das Gesicht in das Guckloch der Massageliege. „Hätte man mehr darauf geachtet, dass wir in der Schule gerade sitzen, wäre mir das nicht passiert“, rufe ich verzweifelt. Die Masseurin pflichtet mir bei. „Wir mussten in der Schule morgens beten, das war normal.“ Gerade sitzen müsse eben auch wieder normal werden. „Wenn es alle machen, findet ja keiner was daran.“ Zum Abschluss gibt es noch eine Fangopackung, so heiß, dass es kaum zum Aushalten ist. Aber auch das ist gesund. Das Mittagessen ist biodynamisch mit Fleisch und Gemüse von Brandenburger Biohöfen. Es gibt Kohlrabicremesuppe, Salatbuffet und Spargel satt. Wir essen auf der Terrasse des Hotelrestaurants „Kochkunst“ und genießen den sommerlichen Tag. Einen Tisch weiter speist der Kardiologe des Hauses und bespricht gleichzeitig fieberkurvenähnliche Tabellen mit seiner Tischnachbarin. Die Frau hat Essblüten auf ihrem Teller. Die sind leider alle.

Mittlerweile ist es zwei Uhr mittags, und noch immer habe ich keinen Fuß ins Wasser gesetzt. Um halb drei geht es weiter mit dem Fitnessprogramm an den Geräten im ersten Stock. Ab vier Uhr ist dann endlich Feierabend. Ich freue mich auf einen Sprung in die 32 Grad warme Sole. Und hinterher werde ich die Sauna mit dem Honigaufguss probieren. Dann auf der Dachterrasse die Füße langlegen und das tanken, was mir am meisten fehlt. Schlaf.

Die 3- bis 6-tägigen Stadtkuren (ab 629 Euro) gibt es auch inkl. eines Besichtigungs- und Kulturprogramms. Centrovital, Neuendorfer Str. 25, 13585 Berlin, Tel. (0 30) 81 87 51 26, stadtkur@centrovital-berlin.de

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