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CDU: Sozialethik und Liberalismus

BERLIN taz ■ Für viele CDU-Mitglieder ist die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens – 800 Euro für jeden ohne Arbeit – schwer verdaulich. Dieser Versuch einer sozialpolitischen Revolution will in keine der bekannten Schablonen passen. Fragende Blicke ruft das Konzept auch deshalb hervor, weil es erst allmählich in die Parteihierarchie hineinrieselt.

Bislang beschränkt sich die Debatte auf die Führungsebene der CDU. Dort ist vor allem einer verantwortlich: Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus. Aufgrund seiner Lobbyarbeit sollte gestern Nachmittag die Programmkommission der CDU zweieinhalb Stunden über das Grundeinkommen diskutieren. „Ohne die Unterstützung der Vorsitzenden Angela Merkel hätte dieses Symposium nicht stattgefunden“, sagt ein Mitarbeiter der Parteizentrale. Wobei gleichzeitig das Gegenteil richtig ist: Merkels Generalsekretär Ronald Pofalla hält nicht viel von dem Konzept. So stellt sich die Frage: Worin besteht der Mehrwert für die CDU, wenn die Partei über ein extrem erklärungsbedürftiges, teures und utopisches Modell redet? „Abgrenzung zur SPD“, antwortet ein CDU-Abgeordneter. Klingt plausibel: SPD und Gewerkschaften lehnen das Grundeinkommen ab, weil es als Angriff auf die Arbeitsgesellschaft schlechthin verstanden wird.

Dieser positive Nebeneffekt genügt aber nicht, um die Wirkung der Grundeinkommen-Idee innerhalb der CDU zu erklären. Nicht erst seit dem mageren Wahlergebnis von 2005, das man in der Union auch als Folge eines zu marktliberalen Kurses interpretiert, fehlt den Christdemokraten die innere Balance zwischen Sozialstaatlichkeit und Liberalismus. Am Beispiel des Grundeinkommens könnte dieses Verhältnis nun neu bestimmt werden. Eine Renaissance des Sozialen mag Thomas Dörflinger, Vorsitzender des katholischen Sozialverbandes Kolpingwerk zwar nicht erkennen – aber immerhin eine andere Tonlage in der Debatte. Ein existenzsicherndes Grundeinkommen für alle: die Idee dockt an die katholische Sozialethik an, die seit den 1990er-Jahren bei Christdemokraten ins Hintertreffen geraten ist. Nicht umsonst hatte sich HWWI-Chef Thomas Straubhaar zur Präsentation seines Konzeptes gestern Michael Schramm eingeladen. Der Sozialethiker der Universität Hohenheim bestätigte gerne, dass die Ziele Solidarität, Subsidiarität und Gerechtigkeit beim Grundeinkommen einen gebührenden Platz einnähmen.

Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union, betont dagegen eher den anderen Strang der CDU-Debatte. In seinen Augen „würde das Grundeinkommen zur Übersichtlichkeit“ des Sozialsystems beitragen. Neben diesem Wunsch nach Entbürokratisierung gebe es ein weiteres Motiv. Eigentlich verberge sich hinter dem Grundeinkommen doch ein „ultraneoliberales Konzept“, sagt Mißfelder. Das Grundeinkommen als Crossover also, als zeitgemäße Fusion zweier alter Stränge, die beide Seiten zufriedenstellt? Mißfelder ist skeptisch: Die Durchsetzungschancen betrachtet er als „sehr, sehr gering“. Nicht einmal in der Programmkommission gebe es eine Mehrheit. HANNES KOCH

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