piwik no script img

„Ahmadinedschad will sein Gesicht wahren“

Der Iran hat sein Atomprogramm zwar noch nicht aufgegeben, sagt der israelische Sicherheitsexperte Jossi Melman. Aber die Entwicklung stockt, weil die UN-Sanktionen – und die Sabotageaktionen der Geheimdienste – Wirkung zeigen

JOSSI MELMAN lebt in Tel Aviv und arbeitet als Journalist für die israelische Tageszeitung Ha’aretz. Sein Spezialgebiet sind Spionage und Geheimdienste. Er ist Koautor des eben auf Englisch erschienenen Buchs: „The Nuclear Sphinx of Tehran: Mahmoud Ahmadinejad and the State of Iran“ (Publishers Group Worldwid). Melman veröffentlichte zahlreiche Bücher, unter anderem „Die Geschichte des Mossad“.

taz: Herr Melman, die UN hat gegen den Iran Sanktionen verhängt – wegen dessen Atomprogramm. Warum zeigen die denn keine Wirkung?

Jossi Melman: Wer sagt denn, dass die Sanktionen nicht wirken? Ich habe den Eindruck, dass sie den Iranern echte Probleme machen. Denn die UN-Sanktionen haben zu einer Front inoffizieller Sanktionen geführt. Schweizer Banken, deutsche und holländische Banken weigern sich heute schon, Geschäfte mit Iran zu machen. Und Russland verweigert Lieferungen an Iran.

Und doch treibt Iran das Atomprogramm weiter voran.

Das sagt Ahmadinedschad. Doch Tatsache ist, dass Iran im Moment mit seinem Programm nicht weiterkommt. Schon vor zwei Monaten hatte Ahmadinedschad den großen Durchbruch angekündigt, aber passiert ist nichts. Sie haben offenbar technische Probleme. Die Iraner kommen mit dem Atomprogramm nicht voran – und wenn doch, dann stark verlangsamt.

Ist das iranische Atomprogramm im Grunde erledigt?

Nein. Ich sage nicht, dass Iran seine Pläne aufgegeben hat. Sie wollen die Atombombe. Da geht es um regionale Hegemonieansprüche und nationalen Stolz. Abgesehen davon werden sie konkret bedroht – zum Beispiel von den USA.

Hat sich die iranische Position in letzter Zeit verändert?

Ja, auch die Rhetorik. Ahmadinedschad spricht schon seit einer Weile nicht mehr davon, dass er sich die Weltkarte ohne Israel wünscht. Aber er kann im Iran nicht einfach zugeben, dass er kapituliert hat. Er versucht, sein Gesicht zu wahren. Deshalb muss man ihm jetzt eine Leiter reichen, damit er von seinem Baum wieder herunterklettern kann.

Wieso sind Sie so sicher, dass Iran die Bombe nicht jetzt bereits hat?

Mit Sicherheit kann Ihnen das niemand sagen – weder der Chef des Mossad noch der der CIA. Aber sehr viel spricht dafür, dass sie die Bombe nicht haben. Allerdings: Selbst wenn die Iraner die Bombe hätten, würden sie das nicht offen zugeben. Ich vermute, dass sie dann das israelische Modell übernehmen. Jeder weiß, dass es die Bombe gibt. Offiziell wird es jedoch nicht zugegeben.

Welche Rolle spielen die westlichen Geheimdienste bei der Verhinderung der iranischen Atompläne?

Die Kooperation der westlichen Geheimdienste funktioniert, wo es um Iran geht, beispiellos gut.

Auch der mit den deutschen Diensten?

Ja. Tatsache ist, dass vor ein paar Jahren ein hoher Mitarbeiter des iranischen Sicherheitsdienstes desertierte und beim BND landete. Schon damals kam heraus, dass die Iraner an Raketen mit atomaren Sprengköpfen arbeiten. Die Deutschen haben gute Kontakte zum Iran, etwa durch den Handel. Das ermöglicht, auch Dinge zu verkaufen, die vielleicht nicht so funktionieren wie sie funktionieren sollten.

Sie meinen Sabotage?

Die westlichen Geheimdienste führen einen psychologischen Krieg gegen die Mitarbeiter des iranischen Atomprogramms. Dazu gehört auch Sabotage. Außerdem liest man immer wieder über Wissenschaftler, die unter mysteriösen Umständen verschwinden oder desertieren.

Wie wahrscheinlich ist ein Militärangriff auf Iran?

Ein Angriff kommt erst in Betracht, wenn eindeutig klar ist, dass weder die wirtschaftlichen Sanktionen noch die Sabotage der Geheimdienste fruchten.

Wer würde Iran angreifen: die USA oder Israel?

Es ist denkbar, dass Bush angreift, wenn Iran unmittelbar vor der Fertigstellung einer Atombombe steht – was aber unwahrscheinlich ist. Was nach Bush kommt, muss man abwarten.

Und Israel?

Israel kann nicht zulassen, dass ein anderes Land im Nahen Osten die Atombombe hat – weder Iran noch Saudi-Arabien noch Ägypten. Israel wird nicht abwarten, bis ein Land, das Israels Existenz ablehnt, zur Atommacht wird.

Wie lange würden die Israelis denn warten?

Die israelische Regierung ist nicht auf Abenteuer aus. Ein Angriff auf Iran wäre eine viel schwerere Entscheidung als die von Menachem Begin, der 1981 den irakischen Reaktor in Osirak angreifen ließ. Das war ein Spaziergang im Park – verglichen mit einem Angriff auf Iran, der einer Besteigung des Mount Everest gleichen würde.

Warum?

In Osirak reichten acht Flugzeuge aus. Sie wussten, wo sie angreifen mussten und hielten sich nur kurz über dem Angriffsziel auf. Jedes warf zwei Bomben ab und kehrte zurück. Bei einem Angriff auf Iran muss man Jordanien und Irak überfliegen, das muss koordiniert werden. Außerdem muss die iranische Luftabwehr überwunden werden, bevor man das eigentliche Ziel angreift. Anschließend müssen die Flughäfen zerstört werden, um Vergeltungsangriffe zu verhindern. Alles sehr riskant.

INTERVIEW: SUSANNE KNAUL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen