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Gefühlte Unregelmäßigkeiten

PROZESS Mehrere Hundertausend Euro soll ein ehemaliger Arbeitsvermittler in Bremen mit fiktiven Maßnahmen veruntreut haben. Doch die Anklage stützt sich nur auf brüchige Indizien

Ein Betrug wäre „potenzieller Selbstmord“ gewesen, sagt der Angeklagte

Wie viel Geld der ehemalige Teamleiter des seinerzeit noch Bagis genannten Jobcenters Bremen veruntreut haben soll – schon das ist unklar. Am Anfang stand mal eine Millionensumme im Raum, später gut 350.000 Euro, jetzt noch weniger. Auch wo das Geld abgeblieben sein soll – kann die Polizei allenfalls mutmaßen. Gleichwohl muss sich Torsten F. seit gestern vor dem Amtsgericht Bremen verantworten, zusammen mit Lutz G., der der Beihilfe beschuldigt ist.

Der Vorwurf: F. soll in über 60 Fällen Gelder – Gebühren, Fahrtkosten, Betreuungsgelder – für Trainingsmaßnahmen angewiesen haben, die so gar nicht stattfanden, die es vielleicht gar nicht geben sollte. Geflossen sein soll das Geld unter anderem auf Konten des G. Der 51-Jährige war früher Privatdetektiv, später privater Arbeitsvermittler, noch später Anbieter von Weiterbildungen für Arbeitslose. Anfang der 80er Jahre diente er mal zwei Jahre mit F. zusammen auf der Fregatte Braunschweig. Zwölf Jahre war F. beim Bund, bevor er beim Arbeitsamt anfing und aufstieg.

Vor Gericht erscheint der groß gewachsene 41-Jährige mit kahlem Schädel, Stiernacken und gepflegtem, dunklem Sakko, vor allem aber mit einer Fülle von fein säuberlich abgehefteten Dienstanweisungen, Dienstpostenbeschreibungen und Schulungsunterlagen. Die Vorwürfe streitet er alle ab. G. schweigt. „Ich müsste total behämmert sein“, sagt F., der heute bei einem Drogenhilfeträger arbeitet, „potenzieller Selbstmord“ wäre das gewesen, fiktive Fortbildungen zu finanzieren: „Ich war ja jederzeit total zu durchleuchten.“

Und die Polizei? Ihr Zeuge listet vor Gericht allerlei Indizien auf, ein Blanko-Scheck etwa, der „stutzig“ gemacht habe, Rechnungen verschiedener Firmen, die ähnlich aussehen, Schulungen, die „nicht ernsthaft“ waren, Firmen, die es womöglich gar nicht gab, Einnahmen auf Privatkonten mit unklarer Herkunft. „Das passt einfach irgendwo“, resümiert der Ermittler. Fehlt nur noch der Beweis. Der Prozess wird fortgesetzt. MNZ

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