kritik an Polizeieinsatz: Die Empörung ist bloßes Ritual
Ja, der Polizeieinsatz im Mauerpark zur Wochenmitte sagt etwas über die Sicherheitslage in Berlin aus. Ja, er deutet auch an, was sich am 1. Mai in der Hauptstadt abspielen wird. Aber der Einsatz von 16 Beamten gegen 50 junge, Feuer entfachende Leute weist nicht auf bevorstehende Randale hin. Auch nicht auf eine Überforderung der Polizei. Sondern auf Rituale in Politik, Medien und Öffentlichkeit.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
In der 20-jährigen Geschichte der hirnlosen Mai-Krawalle hat sich eine Aufgabenverteilung ausgeprägt: Die CDU redet mit begrenztem Vokabular das Ende des Abendlandes herbei, sobald eine Zigarette kokelnd auf dem Asphalt liegt. Mehr Polizisten müssten her, alte Damen trauten sich nicht mehr auf die Straße. Das Ende stehe bevor, dieses Jahr bestimmt.
Medienvertreter warten ungeduldig, bis irgendwo irgendjemand irgendetwas anzündet oder wirft. In den vergangenen Jahren fiel es den Fotografen immer schwerer, gute Fotos eines brennenden Autos zu schießen. Meist war ein Kollege im Bild – so wenig Brände gab es. Und so viel Medieninteresse, das sich an Brandfotos gruselnd wärmte wie an einem Lagerfeuer.
Die Fotografen und Kameraleute sind vor Ort, weil es ein weit verbreitetes voyeuristisches Interesse gibt, das Klischee vom fremden, brennenden Kreuzberg bestätigt zu sehen. Mit Traditionen bricht man ungern.
CDU, Medienvertretern und Öffentlichkeit steht deshalb eine schmerzhafte Einsicht bevor: Voraussichtlich wird der 1. Mai in Berlin noch friedlicher ablaufen als in den vergangenen Jahren. So urteilen Polizei und Innenverwaltung, und nichts spricht dagegen. Vielleicht haben Union und Medien hier ihre vorläufig letzte Chance zur gespielten Empörung genutzt. Mit Traditionen bricht man halt ungern.
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