: Hertha, runderneuert
Trainer Karsten Heine siegt zur Freude des Managers Dieter Hoeneß, der wie immer alles richtig gemacht hat
BOCHUM taz ■ Wollte man einem Außerirdischen das weltweite Phänomen des Fußballs mit all seinen mitunter bizarren Facetten erklären, dann könnte man beim Stichwort „Trainerwechsel“ wunderbar auf das Beispiel Hertha BSC Berlin im Frühjahr 2007 zurückgreifen. Es war der klassische Fall, der sich dort in der vorigen Woche ereignete, und selten hat man die erwünschte Wirkung dieser unschönen Maßnahme in so reiner Form zu sehen bekommen wie beim 3:1-Sieg der Berliner beim VfL Bochum. Achtmal war der Klub ohne Sieg geblieben, die Mannschaft hatte leb- und freudlos gewirkt, es fehlte der Spaß im Alltag, dann wurde Falko Götz beurlaubt. Karsten Heine, der Trainer der zweiten Mannschaft, übernahm die Verantwortung, und alles wurde anders.
Seine Mannschaft sei „aufgestanden“, habe „mit viel Leidenschaft, mit Fleiß, mit viel gegenseitiger Hilfe“ und ohne „einen Hauch von Undiszipliniertheiten“ gespielt, sagte der neue Mann nach vollbrachter Arbeit. All diese Aspekte, die verloren gehen, wenn das Binnenklima vergiftet ist, waren plötzlich wieder da. Manager Dieter Hoeneß erklärte daher wieder zufrieden: „Es hatte nicht mehr hundertprozentig gepasst zwischen Mannschaft und Trainer, ich glaube wir haben den richtigen Zeitpunkt gewählt“. So schön können Trainerwechsel sein.
Dabei hatte die Partie alles andere als günstig begonnen. Schon nach 48 Sekunden erzielte Bochums Theofanis Gekas seinen 17. Saisontreffer, Dennis Grote traf nach einem wunderbaren Angriff nur den Pfosten, (8.) und Marko Pantelic verschoss einen Elfmeter (34.). Doch in Situationen wie dem Pfostentreffer oder bei Pal Dardais durch Gilberto abgefälschten Schuss, der zum 2:1 im Tor landete (66.), hatten die Berliner wieder das Glück, das in den letzten Wochen gefehlt hatte. Sogar der gescholtene Pantelic, der auch in Bochum lange Zeit verunsichert wirkte, hatte sein Erfolgserlebnis, als er das 1:1 von Christian Gimenez (58.) vorbereitete. Chinedu Edes 3:1 (90.) war dann eine Art Krönung des überaus erfolgreichen Entgiftungsprozesses der vergangenen sieben Tage.
Interessant wäre nun zu wissen, welchen Anteil das bloße Verschwinden von Falko Götz an diesem Umschwung hat und welche Bedeutung Heine dabei zukommt. Er habe nur das „Fußball-ABC“ mit seinen Spielern trainiert, sagte der 52-Jährige nach dem Erfolg. „Laufwege, Abstände, Kompaktheit und Zweikämpfe“, wurden geübt, „uns ging es um eine Grundordnung“, meinte Heine, der einen sehr aufgeräumten, entspannten und gelassenen Eindruck machte. Seine zentrale Botschaft wiederholte er vor jeder Kamera aufs Neue: Die Mannschaft habe „sich nicht einfach trainieren lassen, sie hat aktiv mitgestaltet“. Das hat ihn besonders gefreut.
Die Skepsis, die dem unerfahrenen Mann aus dem Mannschaftskreis entgegengebracht wurde, ist jedenfalls verflogen. „Jetzt können wir ihm glauben, was er sagt“, meinte Dardai, und weil die Hertha mit nun 38 Punkten wohl eher nicht mehr in ernste Abstiegsnöte geraten wird, lautet die spannendste Frage des Saisonendspurts: „Ist Heine der richtige Mann für die Zukunft?“ Manager Hoeneß bezeichnete ihn als „Option“ und sagte: „Ich werde jetzt sehr genau beobachten wie die Mannschaft sich entwickelt und dabei nicht nur aufs Ergebnis schauen. Für mich ist wichtig: Wie gelingt es etwas rüberzubringen, auch was die Handschrift angeht.“
Es liegt also nun auch bei der Mannschaft, eine Haltung zur Frage zu finden, ob sie mit diesem Trainer zusammenarbeiten möchte oder ob sie in der kommenden Saison lieber unter einem renommierteren Mann spielt. Heine selbst behauptete zwar, er habe bislang „keine Sekunde“ über das Bochum-Spiel hinausgedacht, auf die Frage, wie er denn zu einer mittelfristigen Zukunft als Hertha-Trainer stehe, antwortete er dann aber doch sehr eindeutig: „Ich würde mich bestimmt nicht wehren.“
DANIEL THEWELEIT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen