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Das postpetrole Bremen

ENERGIE Bremens Abhängigkeit von Erdöl soll verringert werden – unter anderem mit Hilfe der fossilen Schwester Gas. Wichtiger wäre ein konsequentes Sparprogramm

Bei Schiffen setzt der Senat auf Flüssiggas. Doch an Land bleibt der Verkehr ölig

VON HENNING BLEYL

Lediglich 300 Elektro-Autos sind im Land Bremen zugelassen, dazu kommen 750 Erdgasfahrzeuge, für die es fünf Tankstellen gibt. Der Bremer Verkehr ist noch immer weitgehend von Erdöl abhängig, zumal sich bislang weder Wasserstoff in Verbrennungsmotoren noch die Brennstoffzellentechnik wirklich bewährt haben.

Fast drei Viertel des Bremer Ölverbrauchs geht auf das Konto der Mobilität, doch auch zahlreiche weitere Bereiche sind wesentlich von günstigem Öl abhängig – nicht nur die 660 Angestellten der Bremer Chemieindustrie. „Systematisch“ müsse sich Bremen mit seiner Öl-Abhängigkeit befassen, sagt Arno Gottschalk, energiepolitischer Sprecher der SPD. Gemeinsam mit den Grünen fordert er Konzepte, um „Preis- und Versorgunsrisiken zu vermindern und die Widerstandsfähigkeit der Bremer Wirtschaft zu stärken“.

Allein: In Sachen Öl-Autarkie hat Bremen rein gar nichts zu bieten. Auch im vergleichsweise ölreichen Niedersachsen ist die Fördermenge von einstmals 6,3 Millionen Tonnen jährlich auf unter eine Million gesunken. Sollte das erst kürzlich abgewickelte gigantische Tanklager in Farge in Reserve gehalten werden, um politisch motivierte Preiserhöhungen im internationalen Ölgeschäft auszugleichen? „Das sehe ich nicht“, verneint Gottschalk.

Um die Abhängigkeit von Ölimporten zu verringern, will der Senat aber unter anderem die Einführung von Flüssigerdgas im Schiffsverkehr „intensiv unterstützen“. Schon im kommenden Jahr gehen entsprechende Betankungs-Terminals in Bremen und und Bremerhaven in Betrieb. Auch für den LKW-Verkehr soll die im Vergleich zu klassischen Erdgas-Antrieben deutlich höhere Reichweite der Flüssig-Variante genutzt und durch steuerliche Anreize schmackhaft gemacht werden.

Bei der Umstellung des ÖPNV auf Elektromobilität sieht Gottschalk noch viele praktische Probleme: Die derzeit vor allem lieferbaren chinesischen E-Busse seien in Bezug auf Körpergrößen und Komfort-Erwartungen auf den asiatischen Markt zugeschnitten. Zudem machten die Akkus im Winter regelmäßig vorzeitig schlapp. Die Forderung der Grünen, den Bremer ÖPNV bis 2030 komplett zu elektrifizieren, sei „ein richtiges Ziel“ – aber auch „ambitioniert“ angesichts der Bremer Haushaltslage, zumal der Austausch des überalterten Straßenbahn-Fuhrparks anstehe.

Besser sieht es beim Heizen aus, der Ölverbrauch für warme Luft ist rückläufig. Sowohl bei öffentlichen Gebäuden als auch bei Förderprogrammen für den privaten Wohnungsbau betreibt der Senat eine konsequente Anti-Öl-Politik.

Detaillierte Regionalstudien zum Thema Öl-Abhängigkeit liegen aber bislang nur für Sachsen und Thüringen vor – und hatten zum Ergebnis, dass sich „die Wirtschaft dort kaum mit dem Thema beschäftigt“. Es gäbe „keine Anhaltspunkte“, sagt der Senat, „dass das in Bremen grundlegend anders wäre“.

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