: „Distanz zu Sorgen schaffen“
PSYCHOLOGIE Lydia Keune-Sekula arbeitet mit traumatisierten Kindern und hat ein Buch für sie geschrieben. Es soll ein Ventil für ihre Sorgen sein
■ 46, ist gelernte Journalistin und psychologische Beraterin. Sie hat eine eigene Praxis und hat mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zusammen gearbeitet.
taz: Frau Keune-Sekula, woher beziehen Kinder in Deutschland mehr Frust – innerhalb oder außerhalb der Familie?
Lydia Keune-Sekula: Die meisten traumatischen Erlebnisse stammen noch immer aus dem Kreis der eigenen Familie. Sei es durch sexuellen Missbrauch, häusliche Gewalt, plötzliche Todesfälle oder unerwartete Katastrophen.
In Ihrem Buch ist der Protagonist ein Teddy mit Krone, der Kummerkönig. Wie hilft der den Kindern, die Sorgen loszuwerden?
Wenn man ein Buch macht in dem überwiegend schwere Themen bearbeitet werden, dann muss man den Kindern gleichzeitig etwas zur Seite stellen, das stark, tröstend und entlastend ist. Das war die Intention des Kummerkönigs. Er ist wuschelig, gütig und besitzt eine große Bauchtasche, in die man alle Sorgen hineinstecken kann. Er trägt also die Lasten.
Wie sieht denn das Kummerland aus, in dem der Kummerkönig herrscht?
Kinderkummer ist ein weites Feld. Und oft besteht die Problematik genau darin, das zu erkennen und die Sorgen zu verorten. Es fängt bei Problemen mit den Hausaufgaben an und reicht bis zu schwerwiegenden traumatischen Erlebnissen, die durch Tod oder Gewalt hervorgerufen wurden.
Die Figur des Kummerkönigs ist also eine Art Schnittstelle zwischen Kindern und Eltern?
Ja, genau. Doch nicht nur zwischen Kindern und Eltern, sondern zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen im Allgemeinen. Das können auch Pädagogen, Ärzte oder Nachbarn sein. Die Kunst dabei ist es, Kindern genügend Distanz zu den schweren Situationen zu verschaffen. Und das macht der Kummerkönig. Kinder können ihre Gefühle besser als wir externalisieren und den Kummer tatsächlich wegstecken oder abgeben.
INTERVIEW: FRANZISKA WINTER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen