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Flächendeckender Ausverkauf

LANDGRABBING Vor allem in Ostdeutschland geraten Landwirte zunehmend in Konkurrenz zu Investoren, die Ackerland als interessante Geldanlage entdeckt haben

Die Bodenpreise sind in Ostdeutschland seit 2007 um 132 Prozent gestiegen

VON CONSTANZE BROELEMANN

Landgrabbing bringen wohl die meisten mit Afrika oder Südamerika in Zusammenhang. Die illegitime oder illegale Aneignung von Land durch wirtschaftlich oder politisch durchsetzungsstarke Akteure betrifft aber auch Deutschland.

Besonders der Osten Deutschlands ist vom Ausverkauf der Ackerflächen gebeutelt: „Die Bodenpreise in Ostdeutschland sind seit 2007 um 132 Prozent gestiegen“, sagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), in der sich unter anderem konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauern und Bäuerinnen zusammengeschlossen haben.

Das Hauptproblem: die enormen Steigerungsraten bei der Pacht und dem Verkauf von Ackerflächen führen dazu, dass kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe keine Chance haben, auf dem Markt zu bestehen. Nach der wirtschaftlichen Krise am Immobilienmarkt etwa „schauen Investoren verstärkt nach anderen Möglichkeiten, um Kapital anzulegen und zu vermehren“, so Janßen.

In seinem Buch „Land concentration, land grabbing und people’s struggles in Europe“ schreibt Roman Herre, Agrarexperte bei der Menschenrechtsorganisation Fian, dass besonders die steigende Kommerzialisierung der Bioenergie, im Speziellen die des Biogases, den Ankauf von großen Ackerflächen wirtschaftlich interessant machen. Branchenfremde Investoren, wie etwa die Steinhoff Holding, die eigentlich auf dem Möbelmarkt aktiv ist, besäßen inzwischen allein 25.000 Hektar Land in Ostdeutschland. Hier sieht Herre die Gefahren eines Konzentrationsprozesses in der Landwirtschaft, die langfristig ein widerstandsfähiges, gut funktionierendes Ernährungssystem in Deutschland bedrohen könnte.

Dass Ostdeutschland vom Ausverkauf stärker noch als der Rest Deutschlands betroffen ist, liegt daran, dass nach dem Mauerfall die politische Maxime galt, staatseigenes Land zu privatisieren. Seit 1992 veräußert die Bodenverwertungs- und verwaltungs GmbH (BVVG) Land an Privatinvestoren. „Die Flächen sind systematisch Großbetrieben zugeschustert worden“, beklagt Janßen. Die Kleinen bleiben außen vor. „Warum müssen wir die Fehler des Sozialismus im Kapitalismus wiederholen?“, fragt er.

Janßen fordert daher ein zügiges Umdenken in der Verkaufspolitik der BVVG. Noch seien etwa 200.000 Hektar Boden unverkauft. Da das so genannte Grundstücksverkehrsrecht, das den Transfer von Bodenflächen regelt, Ländersache sei, könnten die einzelnen Bundesländer Reglements einführen, die den Verkauf an Großinvestoren stoppten. In einem Passus des Gesetzes heißt es auch, dass einer „ungesunden Verteilung“ Einhalt geboten werden soll. Allerdings sei bis heute nicht definiert, was eine „ungesunde Verteilung“ ist, beklagt Janssen.

Ihr Übriges zu der ohnehin schon „politischen Schieflage“ beim Verkauf der Ackerflächen tue die EU-Agrarpolitik, meint Janßen. „Wer hat, dem wird gegeben.“ Heißt also, wer die meisten Flächen hat, bekommt die meisten Subventionen von der EU.

Die „local farmers“, wie Roman Herre sie nennt, die kleinen und mittleren Bauern, haben das Nachsehen. Auch Neueinsteiger oder junge Menschen, die sich in der Landwirtschaft etwas aufbauen wollten, hätten bei den Bodenpreisen keine Chance, ein Stück Land zu kaufen. Verlierer des Landgrabbings sind auch diejenigen, die auf dem Land in den kleinen und mittelständischen Betrieben arbeiten oder arbeiteten. In der Uckermark beispielsweise, beklagt Herre, würden Dörfer zunehmend veröden, weil die Jobs knapp werden. „Diesem Strukturwandel muss und kann man was entgegensetzen.“ Man könne Agrarpolitik auch so gestalten, dass statt der Subventionierung von Fläche Arbeitsplätze subventioniert würden.

Und letztlich sei die Frage, so beide Experten, was dem Land und der Politik die Landwirtschaft wert sei. „Die Politik soll nicht den Gewinn von Akteuren maximieren, sondern den gesellschaftlichen Nutzen von Landwirtschaft berücksichtigen“, unterstreicht der Fian-Referent. Ganz neu ist diese Erkenntnis nicht, schon 1967 äußerte sich das Bundesverfassungsgericht dazu: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen.“

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