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kevin kuranyiKraft geben

Wenn die Zahlenkombination 0711 auf dem Display des Handys von Kevin Kuranyi erscheint, dann ist er in diesen Tagen geneigt, das Telefon zu ignorieren. Denn 0711 ist die Vorwahl von Stuttgart, und mit dieser Stadt und ihren Menschen will der Stürmer von Schalke 04 derzeit lieber nichts zu tun haben. „Ich bin dort groß geworden, in mir steckt sehr viel vom VfB Stuttgart“, sagte er nach dem 1:0-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg am Samstag, „aber ich spiele für Schalke und will mit Schalke Meister werden.“

Wieder war es der 25-Jährige, der im Geduldsspiel gegen den 1. FC Nürnberg das entscheidende Tor erzielte, in den letzten fünf Partien gelangen ihm vier Treffer sowie drei Vorlagen. Sieht man Kuranyi derzeit spielen, kann man sich kaum vorstellen, dass es sich um denselben Fußballer handelt, der in den Monaten nach seinem Rauswurf aus Jürgen Klinsmanns WM-Kader manchmal wie ein Bezirksligafußballer über den Platz stolperte. Seine Erweckung ist zauberhaft wie die Verwandlung einer grauen Raupe zum bunten Schmetterling, und sie ist eine Errungenschaft des Kollektivs.

Denn im Kern wird die Mentalität des Teams von der Spielergruppe um Kapitän Marcelo Bordon geprägt, der auch Rafinha, die Altintop-Brüder, Lincoln und eben Kuranyi angehören. Diese Leute predigen keine deutsch-tugendhaften Phrasen von Disziplin und Härte gegen sich selbst. Das vom Jesusglauben inspirierte Credo der Schalker Meinungsführer klingt vielmehr so: „Für mich ist wichtig, dass ich den anderen Kraft gebe, wenn ich gut drauf bin. So wie die anderen mir Kraft geben, wenn ich gut drauf bin“, verkündete Kuranyi.

Mittlerweile ist er Schalkes wirksamstes Gegenmittel gegen die Angst, doch noch zu versagen. Nach dem Sieg gegen die Nürnberger berichtete er davon, wie er „innerlich arbeitet“ in diesen Wochen. „Ich will es unbedingt“, sagte er, nichts ist mehr da von diesem verunsichert wirkenden Jungen. Fast schon ehrfürchtig meinte Fabian Ernst: „Er ist heiß auf den Titel wie kein anderer, er reißt uns alle mit.“

Wahrscheinlich ist es wirklich besser, wenn die Stuttgarter nicht allzu viel von Kuranyis großer Kraft mitbekommen – nachher hilft sie noch den Falschen. DANIEL THEWELEIT

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