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Mindestmaß gesucht

VON BARBARA DRIBBUSCH

Seit drei Monaten existiert der „Niedriglohnmelder“, eine Website, die von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eingerichtet worden ist. 150 unzufriedene Schlechtverdienende berichteten dort bereits in E-Mails von ihrer Situation (www.mindestlohn.de). „Wir waren doch überrascht, wie viele sich ihren Frust vom Leib schrieben“, erzählt ein Mitarbeiter der Agentur wegewerk, die im Auftrag der Gewerkschaft die Website betreut.

Doch während der Streit über die Löhne immer neue Nahrung bekommt, zeigen sich die Arbeitgeber ungerührt. „Wir wenden uns gegen jede Form gesetzlich verordneter Mindestlöhne“, erklärte gestern der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt. Käme der von den Gewerkschaften geforderte Mindeststundenlohn von 7,50 Euro die Stunde, wären 1,7 Millionen Vollzeitarbeitsplätze bedroht, so Hundt. Bundeskanzlerin Angela Merkel will heute mit Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbunds über das Thema beraten. Es werden dabei aber keine konkreten Ergebnisse erwartet.

Hundt ging gestern auf die oft geführten Vergleiche mit anderen Ländern ein, die schon erfolgreich gesetzliche Mindestlöhne eingerichtet haben, wie etwa Großbritannien (siehe unten). Internationale Vergleiche seien nicht haltbar, weil es in Deutschland erstens eine funktionierende Tarifautonomie, zweitens faktisch ein gesetzlich garantiertes Mindesteinkommen durch das Arbeitslosengeld II und drittens schon heute einen gesetzlichen Schutz vor sittenwidrigen Löhnen gebe. Diese Bedingungen lägen so in keinem anderen europäischen Land vor. Über 1,2 Millionen Betriebe mit 80 Prozent aller Beschäftigten wendeten Tarifverträge an und zahlten Tariflöhne, so Hundt.

Hundt ging auch auf die Statistik ein, nach der über 400.000 Vollzeitbeschäftigte noch aufstockendes Arbeitslosengeld II beziehen, weil ihr Einkommen nicht reicht. Wer unter diese Aufstocker falle, sei nicht automatisch Niedriglöhner, erklärte Hundt. Denn ergänzendes ALG II bekommen etwa auch Väter, deren Verdienst nicht ausreicht, um die Familie zu ernähren. So könne ein verheirateter Mann mit zwei Kindern, dessen Ehefrau nicht erwerbstätig ist, und der 12 Euro brutto die Stunde verdient, unter Umständen für den Haushalt noch aufstockendes Arbeitslosengeld II beantragen.

Die Gewerkschaften machen aber eine andere Rechnung auf. Nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nehmen knapp 2 Millionen Erwerbstätige ihren Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II nicht wahr, obwohl sie nur wenig verdienen. Viele Niedrigverdienende scheuen die mit dem Leistungsbezug verbundene Bedürftigkeitsprüfung. Zudem bekommen geringverdienende Erwerbstätige nur dann ALG II, wenn der Partner nicht ausreichend Geld nach Hause bringt und kaum eigenes Vermögen vorhanden ist.

Nach Angaben des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisberg-Essen gibt es in Deutschland 2,2 Millionen Vollzeitbeschäftigte und 2,7 Millionen TeilzeitarbeitnehmerInnen, die weniger als 7,50 brutto die Stunde verdienen.

Unter den Schlechtverdienende sind auch viele Qualifizierte, die im Niedriglohnbereich gelandet sind. So wie Beate S., 48, die sich auf der Website der Gewerkschaft NGG meldete. Eigentlich sei sie Kindergärtnerin mit Schwerpunkt Sonderpädagogik, finde aber in diesem Bereich keinen Job, teilte die Mutter zweier Kinder mit. Sie ist mit einem Polizeibeamten verheiratet. „Ich befülle seit fünf Jahren Regale bei Woolworth für 6,30 Euro brutto die Stunde. Bei einer 18,5-Stunden-Woche bleiben mir am Monatsende 320 Euro netto.“

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