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Raver finden Ruhr

Die „Loveparade“ kommt nach Essen. Ende August sollen hunderttausende Jugendliche durch die Ruhrmetropole raven. Szenekenner zweifeln aber an dem Berliner „Importprodukt“

VON MORITZ SCHRÖDER

Das Ruhrgebiet tut etwas gegen seinen demografischen Wandel. Am 25. August werden voraussichtlich hunderttausende junge Technofans in der Essener Innenstadt die „Loveparade“ feiern. „Wir haben grünes Licht“, sagt Björn Köllen, Sprecher des Veranstalters Rainer Schaller. „Der Wunsch ist da“, bestätigt Essens Sprecher Detlef Feige. Die Stadtverwaltung habe bereits eine Route für die Musikparade mit Schaller vereinbart. Nur die Polizei macht sich noch Sorgen, dass aufgedrehte Techno-Fans die Sicherheit gefährden könnten.

In Berlin, wo die Love Parade noch vergangenen Sommer über die Straßen zog, wollte man sie nicht mehr. Weil die Landesverwaltung bis Ende Februar keinen neuen Rahmenvertrag für das Festival beschlossen hatte, machte sich Schaller, außerdem Chef der Fitnesskette McFit, auf die Suche nach anderen Städten. Im Gespräch waren bislang außer Dortmund und Essen auch Metropolen im Ausland.

2006 tanzten rund eine Million Gäste auf der Straße des 17. Juni. Hier fängt die Skepsis des Essener Polizeipräsidiums an. Während die Berliner Straße durch den idyllischen Tiergarten führt, verläuft die geplante Route in Essen zwischen Wohnhäusern. Die ursprünglich angedachte Nutzung der Autobahn 40 wurde wegen der zu knappen Genehmigungszeit verworfen. Die Partygäste müssten also über eine Brücke und unter Oberleitungen hindurch gehen. „Wir haben da Sicherheitsbedenken“, sagt Polizeisprecher Thomas Weise, betont aber: „Ich denke, wir werden eine Lösung finden.“

Für den Erfolg der Parade entscheidender wird aber die Akzeptanz in der nordrhein-westfälischen Technoszene sein. „Rund um Essen gibt es eine starke Clubkultur. Wir rechnen mit ähnlich vielen Gästen wie in Berlin“, sagt Veranstaltungssprecher Köllen. Die üblichen Scharen polnischer Technoliebhaber in Berlin würden in Essen durch Gäste aus den nahen Niederlanden und Belgien ersetzt. Jens Kobler, Kulturmanager in Essen, ist skeptischer: „Die Loveparade ist ein Importprodukt, das hier nicht funktioniert.“ Berlin habe viel mehr Clubs und Labels. Im Ruhrgebiet treffe sich die Szene eher in kleinen Clubs. Auch das Publikum sei unterschiedlich: „Ich erwarte vor allem Großraumdisko-Kokser auf der Loveparade in Essen.“

Was für Jugendliche kommen, interessiert Essens Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger zurzeit weniger. Der freut sich aber schon über den „Aufmerksamkeitsgrad, der mit dieser Veranstaltung verbunden sein wird.“ Schließlich bereitet sich Essen derzeit auf die Veranstaltung Kulturhauptstadt 2010 vor. „Die Love Parade wird eine gute Trainingseinheit für Ruhr 2010 sein“, erwartet auch Jens Hapke, Sprecher der Kulturhauptstadt-Organisation. Die Parade könne ein positives Zeichen setzen gegen die Überalterung im Ruhrgebiet. Daran gemessen gilt der organisatorische Aufwand für die Stadt Essen, etwa um die erwarteten Müllberge zu entsorgen, als verkraftbar: „Es werden zwar Kosten für die Stadt entstehen, aber ein gutes Image kostet nun mal“, sagt Stadtsprecher Feige.

Wenn sich Veranstalter Rainer Schaller mit der Polizei über die Sicherheitsauflagen geeinigt hat, soll ein Rahmenvertrag mit der Stadt Essen unterzeichnet werden. Und zwar möglichst bald. „Bis Mitte Mai muss das Ergebnis der Verhandlungen stehen“, sagt Köllen. Drei Millionen Euro will McFit in die Veranstaltung stecken. Ob Schaller damit auch dem Ruhrgebiet einen Gefallen tut, wird wohl Ende August an der Anzahl von knapp-bekleideten Jugendlichen und der Toleranz der Gastgeber entschieden.

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