lincoln: Fehlender Öffner
Dass Bernd Schneider derart entscheidend ins Meisterschaftsrennen eingreifen würde, war eigentlich nicht mehr zu erwarten. Okay, vielleicht hätte er einem der Titelkandidaten einen Treffer in den Winkel setzen können, viel effektiver war aber seine genialische Provokation gegenüber Lincoln. „Und du willst Brasilianer sein?“, fragte Schneider, der weiße Brasilianer. Lincoln schlug Schneider auf die Backe und darf nun fünf Spiele lang nicht mitmachen. Mit tief ins Gesicht gezogener Baseballkappe saß er beim 0:2 gegen den HSV in der Arena und sah dabei zu, wie die Kollegen seinen Ausfall nicht kompensieren konnten.
41 Flanken schlugen sie in den Hamburger Strafraum, 22 Torschüsse bescheinigte die Statistik dem Tabellenführer. Die vielen Standards flogen ziellos durch die Gegend, kein einziger öffnender Pass war das, die Defensive zu zerschneiden. Lincoln fehlte überall. „Wir investieren und investieren und machen einfach keine Tore, wir brauchen mehr Räume“, klagte Trainer Mirko Slomka. Das Öffnen von Räumen ist Lincolns Spezialität. Hamburgs Trainer Huub Stevens sagte: „Wir haben bestraft, dass der Gegner immer offensiver wurde.“ In den erfolgreichen Zeiten waren es die Schalker, die dem Gegner den Ball überließen und ihn dann überfallartig bestraften. Diese Ausgangsposition haben sie nun verloren. Selten in dieser Saison wären Lincolns Fähigkeiten wichtiger gewesen.
Im Schalker Fan-Forum versuchen sie es humorvoll zu nehmen. „Bisher ist noch jede Mannschaft ohne Lincoln Meister geworden“, witzelt ein User. Viele Fans sind aber richtig wütend. „Wir und auch die Mannschaft werden Lincoln nicht an den Pranger stellen“, sagte Manager Andreas Müller vorige Woche, doch so mancher Schalker dürfte in diesen Tagen immer wieder von den Bildern des Disputs zwischen Lincoln und Schneider heimgesucht worden sein.
Wenn am Ende wie immer jemand anders Meister ist, könnte Lincoln fast eine so prominente Stellung im Schalker Horrorkabinett erhalten wie Mathias Schober. Der verursachte im Trikot des HSV den Freistoß, mit dessen Hilfe die Bayern 2001 in allerletzter Minute den Titel aus Schalke klauten. DANIEL THEWELEIT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen