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Erkrath schaut in die Röhren

Im Neandertal sollen drei neue Chemie-Pipelines verlegt werden: Sie sollen Erdgas, Propylen und Kohlenmonoxid transportieren. Die Anwohner fürchten einen Unfall. Laut einer Studie wären bei einem Vollbruch 5.000 Menschen gefährdet

Das Gas ist schwerer als Luft, ein Funke genügt, um es explodieren zu lassen Wenn das Gesetz Schule macht, drohten jeder Kommune Enteignungen

von LUTZ DEBUS

Im August 2004 stürzte auf der Autobahn zwischen Köln und Olpe ein Tanklastzug von der Wiehltalbrücke und explodierte. Was würde passieren, so fragen inzwischen viele Erkrather, wenn sich ein ähnlicher Unfall im nächsten Jahr statt auf der A4 auf der A3 im Neandertal ereignen würde? Unten im östlich von Düsseldorf gelegenen Tal verlaufen jetzt schon zwei Rohrleitungen für Gas und Flugbenzin. Das Kerosin wird von der Nordsee zum Frankfurter Flughafen geleitet. Zu den beiden Leitungen sollen in diesem Jahr drei weitere Pipelines hinzukommen, eine für Erdgas, eine für Propylen und eine für Kohlenmonoxid (CO). Besonders letztere, die die Bayer-Werke Uerdingen und Dormagen miteinander verbinden soll, ist bei den Anrainern heftig umstritten.

Im Landkreis Mettmann, durch den die CO-Leitung führen soll, regt sich Widerstand. Norbert Stapper von den Grünen im südlich gelegenen Monheim sagt: „Kohlenmonoxid ist geruchs- und geschmacksneutral, farblos und schon in geringen Konzentrationen tödlich.“ Nicht nur ein Unfall auf der Autobahn könne eine Katastrophe auslösen. Ein Bagger könnte, so der Sprecher des Ortsverbandes, die Röhre, die in 1,40 Meter Tiefe verlegt werden soll, beschädigen. In einer Risikostudie eines Ingenieurbüros, so war bereits in der Rheinischen Post zu lesen, wären bei einem Vollbruch der Leitung 5.309 Gebäude und 29.208 Bewohner in Erkrath gefährdet. Das Gas ist schwerer als Luft, kann sich bei Windstille in Tälern sammeln. Rettungsaktionen gestalten sich äußerst schwierig. Die Feuerwehr müsste nicht nur mit Atemgerät arbeiten. Ein Funke reicht, um ein Gemisch von Luft und Kohlenmonoxid explodieren zu lassen.

„Unsere Feuerwehr ist für solch ein Szenario überhaupt nicht geschult und ausgerüstet“, gibt Stapper zu bedenken. Bayer weigere sich, eine Werksfeuerwehr für die Trasse der Pipeline bereitzustellen. So würden die Kosten für den Katastrophenschutz bei den betroffenen Kommunen entstehen. „Dabei zahlt Bayer durch deren geschickte Abschreibungspolitik in Monheim weniger Steuern als ein Apotheker am Marktplatz“, ärgert sich der Grüne. Auch das Arbeitsplatzargument, vom Chemieriesen ins Feld geführt, will Stapper nicht gelten lassen. Durch die Pipeline könne Bayer sogar eines der beiden CO-Produktionsstätten in Uerdingen oder Dormagen schließen und so Arbeitsplätze streichen. „Wenn beide Werke wie bisher ihr Kohlenmonoxid selbst herstellen, müsste das Gas auch nicht per Straße oder Schiene transportiert werden.“ Bayer beteuert nämlich, dass eine Rohrverbindung viel sicherer sei als ein LKW oder ein Güterzug. Die Grünen in Monheim fragen sich außerdem, ob die rechtsrheinische Trassenführung wirklich besser sei. Sowohl Uerdingen wie Dormagen liegen westlich des Rheines. So muss die CO-Leitung zwei mal den Fluß unterqueren. Statt der etwa 30 Kilometer Luftlinie wird die Pipeline nun etwa doppelt so lang. Ursache der geschlängelten Route sind die ebenfalls geplanten Gas- und Propylenpipelines. Natürlich, das gibt auch Norbert Stoppar zu, sei der Landschaftsverbrauch geringer, wenn man drei Röhren übereinander legt als wenn man drei Schneisen in die Natur walzt.

In Monheim sind nicht nur Bündnis 90/Die Grünen gegen die CO-Pipeline. Der Bürgermeister Thomas Dünchheim und mit ihm die ganze CDU engagieren sich, um das Bayer-Bauvorhaben zu verhindern. Die Stadt habe, so erklärt der Beigeordnete Roland Liebermann, vor drei Wochen Klage gegen den Bau der Rohrleitung eingereicht. „Die Sicherheitsbelange sind nicht ausreichend berücksichtigt worden. Außerdem sehen wir uns in unserer Planungshoheit beeinträchtigt.“ Desweiteren habe man ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, inwieweit das „Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen“ verfassungsgemäß ist. Wenn jenes von der Landesregierung beschlossene Gesetz Schule macht, drohten jeder Kommune die Enteignung ihrer Grundstücke.

Auch in der Kreisverwaltung in Mettmann versucht man, die Röhre, die den gesamten Kreis in Nord-Süd-Richtung passiert, zu verhindern. Nils Hahnheide, Leiter des Rechts- und Ordnungsamtes erklärt, dass man seitens des Kreises zwei private Kläger finanziell unterstützen will. Zunächst werde noch geklärt, inwieweit diese direkten Anwohner ihre Widersprüche fristgemäß eingereicht haben und ob deren Klagen Aussicht auf Erfolg haben. „Wir prüfen auch, ob ein Eilverfahren sinnvoll ist.“ Damit könnten die bereits durchgeführten Bauarbeiten gestoppt werden. Außerdem will der Kreis bei jeder Straßenquerung der Baustelle die dazu benötigten „Gestattungsverträge“ mit dem Bauherrn verweigern. Eine Flut von Enteignungsverfahren stehen den Beteiligten ins Haus.

So weit ist man im äußersten Nordwesten des Kreises bereits. Schließlich soll nach Willen von Bayer bereits in diesem Jahr das Kohlenmonoxid in der Röhre fließen. „Nach Offenlegung des Planfeststellungsbeschlusses hat es einen Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung gegeben. Im Laufe der Woche erwarten wir die Entscheidung des stellvertretenden Regierungspräsidenten“, erklärt der Baudezernent der Stadt Ratingen Ulf-Roman Netzel. Nördlich der Landeshauptstadt wird also schon munter enteignet. Eine besondere Überraschung erlebte der Baudezernent vor kurzem. Der Firma WINGAS erlaubte er mündlich, mit der Verlegung ihres Gasrohres zu beginnen. „Gegen eine Gasleitung habe ich nichts.“ Als er in die Baugrube schaute, entdeckte er aber noch eine zweite Röhre, und zwar für Kohlenmonoxid. „Mit einem Schreiben an WINGAS habe ich angewiesen, weitere Bauarbeiten zu unterlassen.“ WINGAS, eine Tochtergesellschaft von BASF und dem russischen Energiemulti GAZPROM, betreiben mit der Europeen Pipeline Development Company (EPDC) und dem Unternehmen Bayer eine gemeinsame Projektgesellschaft, die die Bauarbeiten der drei Rohrleitungen durchführt. Mit der Verlegung der CO-Leitung wollte man offensichtlich Fakten schaffen.

Aber sind es wirklich noch drei Leitungen, die auf der Trasse verlegt werden? Durch die Presse ging vor einigen Wochen, dass EPDC auf ihre Propylenröhre verzichten will. Das war drei Tage vor Ende der Klagefrist. Bislang, so versichert Ulf-Roman Netzel, sei bei der Bezirksregierung noch kein Schreiben von EPDC eingegangen, das dies offiziell bestätigt. Die Genehmigungsbehörde sollte man, so der städtische Beamte, doch am schnellsten davon unterrichten, wenn man solch ein Projekt nicht weiter verfolgt. Ist das Ende der Propylenpipeline also nur deshalb in Aussicht gestellt worden, um die Gegner der CO-Röhre zu verunsichern? „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“, zitiert Ulf-Roman Netzel ein französisches Sprichwort.

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