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Tony Blair: Ich bin der Beste … gewesen

Der nach eigenem Bekunden erfolgreichste Labour-Premier der „besten Nation der Welt“ kündigt in einer emotionalen, lang geplanten Rede seinen Rücktritt an. Ab 27. Juni soll der bisherige Finanzminister Gordon Brown Großbritannien regieren

VON RALF SOTSCHECK

Zum Schluss wären ihm beinahe die Tränen gekommen. In einer emotionalen Rede in seinem nordostenglischen Wahlkreis Sedgefield kündigte der britische Premierminister Tony Blair gestern an, dass er sein Amt am 27. Juni niederlegen werde.

Am Vormittag hatte Blair das Kabinett über seine Rücktrittspläne informiert, ohne das Datum zu nennen. Das hob er sich für den Trimdon Labour Club in Durham auf, wo er am 11. Juni 1994 seine Bewerbung um die Labour-Führung abgegeben hatte.

In 17 Minuten zog Blair gestern Bilanz. Großbritannien habe unter seiner Regierung eine Führungsrolle übernommen, was Afrika, den Klimawandel und die Globalisierung betreffe. Er hinterlasse Großbritannien in einem besseren Zustand, als er es bei seinem Amtsantritt vor zehn Jahren vorgefunden habe.

Blair räumte ein, dass die Erwartungen 1997, als Labour nach 18 Jahren Tory-Herrschaft an die Macht kam, möglicherweise zu hoch gewesen seien. Aber er war und bleibe nun mal Optimist. Den Irakkrieg, der ihm einen anhaltenden Vertrauensverlust beschert hat, erwähnte er nur am Rande. „Ich kann ehrlich sagen, dass ich immer getan habe, was ich für richtig hielt“, sagte er. „Ob es auch immer richtig war, müsst ihr, das Volk, entscheiden.“ Zum Schluss bedankte er sich bei der „besten Nation der Welt“, die ihn zum erfolgreichsten Labour-Premier aller Zeiten gemacht habe, und entschuldigte sich für die Enttäuschungen, die er ihr manchmal bereitet habe.

Blair geht nicht freiwillig. Nach den Wahlen 2005 hatte er noch angekündigt, dass er gedenke, für die gesamte Legislaturperiode im Amt zu bleiben. Nach einem parteiinternen Mini-Putsch im vergangenen Herbst wurde ihm jedoch klar, dass seine Zeit abgelaufen war. Ob er nach seinem Rücktritt als Hinterbänkler im Unterhaus bleibt, ließ er offen. Wahrscheinlich wird er jedoch spätestens auf dem Parteitag im Oktober auch dieses Amt niederlegen.

80 Prozent der Labour-Wähler finden in einer gestern veröffentlichten Umfrage, dass Blair ein guter Premier war, 44 Prozent der Gesamtbevölkerung finden das auch. Damit sind seine persönlichen Werte weit besser als die seiner Partei. Die liegt nach neuesten Umfragen nur noch bei 29 Prozent – 13 Punkte hinter den Tories, die damit so gut stehen wie seit 1992 nicht mehr, als sie zum letzten Mal Unterhauswahlen gewannen. Tory-Chef David Cameron sprach gestern denn auch von einer „Regierung der lebenden Toten“.

Doch Blair hat sich für die letzten sieben Wochen seiner Amtszeit noch viel vorgenommen. Heute fliegt er nach Frankreich zu Gesprächen mit Nicolas Sarkozy, nächste Woche reist er nach Washington, um mit US-Präsident George Bush über Klimawandel und den Irak zu reden – zwei Themen, die das britische Verhältnis zu den USA dominiert haben. Zum Abschluss möchte er noch einen Kompromiss bei der EU-Verfassung aushandeln.

Blairs Stellvertreter John Prescott kündigte gestern ebenfalls seinen Rücktritt an. Um seine Nachfolge bewerben sich die Parteivorsitzende Hazel Blears, die Staatssekretärin Harriet Harman und Nordirlandminister Peter Hain. Wer Blairs Nachfolger wird, steht dagegen bereits fest: Finanzminister Gordon Brown. Seine Nominierungspapiere sind bereits von 250 Abgeordneten unterschrieben worden. Die beiden möglichen Herausforderer vom linken Flügel, Michael Meacher und John McDonnell, haben dagegen die notwendigen 44 Unterschriften noch nicht beisammen.

Brown will heute erläutern, was er nach seiner Amtsübernahme anders machen wolle. Fast die Hälfte der Bevölkerung glaubt allerdings, dass sich unter Brown gar nichts ändern wird.

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