: Reichstagsputz mit unsauberen Methoden
Mitarbeiter einer Firma, die das Reichstagsgebäude reinigt, erhalten weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. IG Bau wirft Bundestagsverwaltung zu lasche Kontrollen vor. Verwaltung weist Schuld von sich und kritisiert Gewerkschaft
Der Bundestag ist der Ort, wo sich Politiker über branchenspezifische und allgemeine gesetzliche Mindestlöhne streiten. Für Gebäudereiniger haben sie einen Mindestsatz sogar schon beschlossen: Er liegt bei 7,78 Euro in der Stunde. Nun hat die zuständige Gewerkschaft IG Bau herausgefunden, dass ausgerechnet eine der vier Firmen, die für die Reinigung des Reichstagsgebäudes zuständig sind, Mitarbeiter für weniger Geld beschäftigt.
Die Arbeitsverträge zweier Beschäftigter der Berliner Firma B + K Dienstleistung GmbH, aus denen sich Stundenlöhne von etwa 5,57 und 6,88 Euro ergeben, liegen der taz vor. Seitens des Unternehmens wollte dazu gestern niemand eine Stellungnahme abgeben.
Frank Wynands vom Vorstand der IG Bau warf der Bundestagsverwaltung vor, nicht ausreichend darauf zu achten, ob die beauftragten Firmen sich an Tarifverträge hielten. Die Firmen würden lediglich eine Vereinbarung unterzeichnen, dass sie ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Das sei nicht genug: Die Verwaltung solle sich Lohnabrechnungen vorlegen lassen, um so die Einhaltung der Tarifverträge zu kontrollieren, forderte Wynands.
Ein Sprecher des Bundestags wies die Idee, Abrechnungen zu kontrollieren, als „abstrus“ zurück. Das sei allein aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich. Er kritisierte auch das Vorgehen der IG Bau: „Der Gewerkschaft geht es angeblich um die Menschen. Da wäre es doch viel besser gewesen, zuerst zu uns zu kommen und uns Belege zu liefern – dann hätten wir uns schon darum gekümmert.“ Bislang habe die Verwaltung keine Belege dafür, dass dem Reinigungspersonal ein zu niedriger Stundenlohn gezahlt worden sei. Laut Gesetz dürften Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden – eine Bezahlung nach Tarif könne demnach nicht gefordert werden. Eine Firma, die trotz einer anderslautenden Erklärung weniger als den Mindestlohn zahle, sei allerdings nicht als zuverlässig anzusehen. Die Verwaltung habe in diesem Fall die Möglichkeit, den Vertrag mit dem Unternehmen nach zwei Jahren nicht zu verlängern und es vom nächsten Vergabeverfahren auszuschließen. Ob eine Kündigung des Vertrages wegen untertariflicher Bezahlung vor Gericht durchsetzbar sei, sei unklar.
Bereits vors Arbeitsgericht gezogen ist eine der beiden Beschäftigten, die sich an die Gewerkschaft gewandt und damit den Stein ins Rollen gebracht hatten – sie fordert den zu wenig gezahlten Lohn ein. Gewerkschaftsvorstand Wynands sagte, die IG Bau erwäge darüber hinaus, die Firma wegen Lohnwuchers anzuzeigen. Wynands beklagte außerdem das allgemein schlechte Image der Gebäudereinigung, das die Gewerkschaft nun mit der bundesweiten Kampagne „Ich putze Deutschland“ aufpolieren will. JENS GRÄBER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen