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G-8-Protest blüht und gedeiht

In den norddeutschen Städten läuft die Mobilisierung gegen den Gipfel in Heiligendamm. Daran haben auch die Razzien gegen mutmaßliche militante Globalisierungsgegner nichts geändert

Von KAI VON APPEN

Der Countdown zum G-8-Gipfel-Protest läuft: Die Staatsschutzrazzien vorige Woche nehmen die Globalisierungsgegner als „Schlag ins Wasser“ gelassen hin – von den Gewerkschaften über Umwelt-, Klimaschutz- und Flüchtlingsinitiativen bis hin zur autonomen Szene. „Es gibt keinen Grund zur Panik“, sagt ein Autonomer. „Die Razzien haben mehr die Botschaft verbreitet: ‚Jetzt erst recht‘“, vermuten Verdi-Gewerkschafter.

Allzweck-Waffe 129a

Dennoch wird in der linken Szene zur Obacht geraten, da weitere Polizeiaktionen nicht ausgeschlossen seien, um G-8-Gegner zu „kriminalisieren“ oder durch den Unterbringungsgewahrsam vom Gipfel fernzuhalten. „Schon jetzt werden verstärkte Observationen bemerkt“, sagt ein linker Anwalt. Durch das laufende Paragraf-129a-Verfahren („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) wegen der Brandanschläge in Hamburg sei den Behörden ein Instrument in die Hand gegeben worden, „das vieles zulässt“: Observationen, Telefon-, Handy- und Mail-Überwachung, Handy- und PKW-Ortung durch heimlich angebrachte GPS-Sender.

Hannover: Hier gebe es seit einem halben Jahr einen runden Tisch zum G-8-Gipfel, sagt Gordon Bruyn von Attac. Ziel sei es gewesen, „möglichst viele Gruppen zusammenzubekommen“. Neben Attac sind dabei: aus dem Gewerkschaftsspektrum die Verdi-Jugend, der DGB Niedersachsen-Mitte und die GEW Hannover. Ferner das Antikriegsbündnis und das Friedensbüro, das Atomplenum Hannover, die WASG und die Linke/ PDS, das Jugend-Umwelt-Netzwerk Niedersachsen „Janun“ aus dem linken Spektrum und die Antifa sowie die „Rote Aktion Kornstraße“.

Der runde Tisch hat Busse nach Heiligendamm gechartert. Am Samstag gibt es eine Demo (Treffpunkt 12 Uhr, Kröpke), die vor dem CDU-Bürgerbüro und vor der Neuen Presse Halt machen wird. In Hannover hätten CDU-Stadträte und die Neue Presse den G-8-Widerstand „kriminalisiert“, sagt Bruyn. Das sei „kurios“, da es in Hannover keine Razzia gegeben habe, die Stadt aber trotzdem zur „Krawallhochburg“ hochgeschrieben werde.

Zum Abschuss frei

Es habe einen Artikel gegeben, in dem die „Friedfertigen“ den „Militanten“ gegenübergestellt und dabei auf das Unabhängige Jugendzentrum UIZ in der Kornstraße hingewiesen worden sei. „Die sind praktisch zum Abschuss freigegeben“, sagt Bruyn. Dabei hätten sie bloß ein Blockadetraining gemacht, zu dem sogar die Presse eingeladen wurde.

Bremen: An der Weser hat sich der globalisierungskritische Protest zum „Bremer Anti-G-8-Bündnis“ zusammengeschlossen. Gruppen wie das Bremer Friedensforum, Attac, gewerkschaftliche Jugendorganisationen und die radikal linke Szene mobilisierten in den vergangenen Wochen gemeinsam gegen den G-8-Gipfel. „Seit der Razzia sind unsere Veranstaltungen deutlich besser besucht“, sagt Christoph Strohmayer von der Gruppe „Infotour“, die als mobiles Informationsteam in der Stadt und in Schulen unterwegs sind.

Fahrradkarawane hält

Den „Jetzt-erst-recht-Effekt“ bestätigt auch Attac-Mitglied Werner Hegelin sowie Bernhard Stoevesandt, Sprecher des „Bremer Plenums“, in dem sich eher „aktionsorientierte und autonome Gruppen“ organisieren, wie Solid.org, das Feliz-Plenum oder die von der Razzia betroffene Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz (Maus). „Immerhin 100 Leute waren auf dem letzten Blockadetraining“, sagt Stoevesand. „Wir werden beim G-8-Gipfel im Camp Reddelich eine Bremer Ecke einrichten.“

Am Wochenende campt die Fahrradkarawane West, die von Gent nach Heiligendamm unterwegs ist, am Werdersee. Strohmayer kündigt an, „die Tage zu nutzen, um in der Stadt sichtbar zu sein“. Weitere Infos: www.g8-bremen.de.vu.

Göttingen: Aus der Universitätsstadt sind Busse geordert worden, doch etliche Aktivisten wollen mit der Bahn oder dem Auto zur Großdemo anreisen. Es kursieren in der Stadt auch keine gemeinsamen Demo-Aufrufe. Das Attac-Spektrum, Autonome, linke Uni-Gruppen sowie die kirchennahen Globalisierungskritiker mobilisieren auf Handzetteln und im Internet getrennt vor sich hin. Dutzende Film-, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen greifen einzelne G-8-Themen auf. Christen haben für den 23. Mai einen eigenen Aktionstag angekündigt.

Hamburg: Die Stadt wird neben Rostock Kristallisationspunkt des Gipfel-Protests werden. An der Elbe wird es schon eine Woche früher Demonstrationen geben. Ab Pfingsten dürfte sich die Stadt im Ausnahmezustand befinden. Dann werden Fahrrad-Karawanen aus ganz Europa eintreffen, um dem zweitägigen Asem-Gipfel ein passendes Ambiente zu bieten.

46 Außenminister tagen

Am Pfingstsonntag fallen 46 Außenminister nebst 1.400 Fachbeamten aus Asien und der EU ein, um das G-8-Treffen der Regierungschefs vorzubereiten. Auf dem Programm: die Energie- und Klimapolitik sowie Sicherheits- und Sozialthemen. Die City zwischen Rathaus, Handelskammer und den ausgebuchten Nobelhotels der Stadt wird im polizeilichen Belagerungszustand sein.

Am Pfingstmontag ruft das Anti-Globalisierungsnetzwerk Dissident zum Marsch vom Kiez in St. Pauli zum Rathaus auf. Motto: „Gate to global Resistance“.

Mitarbeit: Patrick Ehnis, Reimar Paul und Daniel Wiese

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