: And the winners are …
AUSZEICHNUNG Die „Gründerchampions“ der deGUT: Von Gebärdensprache auf dem Smartphone über Sensoren für Windräder bis zu recycelbaren Verpackungen und effizienten Fahrrad-Tretkurbeln
VON HEIDE REINHÄCKEL
Bei VerbaVoice sind die Büroräume durch Glasfenster miteinander verbunden. So können die Mitarbeiter mittels Gebärdensprache von Raum zu Raum kommunizieren. Das Münchener Sozialunternehmen bietet einen Onlineübersetzungsservice für Hörgeschädigte an, bei dem gesprochene Inhalte als Gebärdensprachvideo und Lifetext zur Verfügung gestellt werden. „Hörbehinderte Nutzer können am PC oder auch auf dem Smartphone in Echtzeit mitverfolgen, was gesprochen wird“, erklärt Michaela Nachtrab, Geschäftsführerin und Gründerin von VerbaVoice. In der Zentrale in München arbeiten viele Menschen mit Hörbehinderung, die besonders zielgruppengerecht kommunizieren können. „Alle Mitarbeiter können die Gebärdensprache bereits oder lernen sie bei uns“, so Nachtrab.
VerbaVoice, das beispielsweise die letzte Re:publica barrierefrei gestaltet hat, gehört zu den 16 jungen Unternehmen, die gestern bei der Eröffnungsveranstaltung der 30. Deutschen Gründer- und Unternehmertagen (deGUT) in Berlin als „Gründerchampion“ ausgezeichnet wurden. Der Titel wird von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) pro Bundesland für ein dort ansässiges Unternehmen vergeben. Dabei werden entweder innovative oder kreative Geschäftsideen oder eine besondere gesellschaftliche Verantwortung ausgezeichnet.
Nachhaltige Ideen
Bei vielen der ausgezeichneten Gründungsideen spielt Nachhaltigkeit ein wichtige Rolle. So entwickelte das 2012 gegründete sächsische Unternehmen FiberCheck eine spezielle Sensor-Technologie für Windräder. „Unsere Sensoren werden auf das Glasfaserfleece gestickt und können nachträglich ins Rotorblatt von Windkraftanlagen eingeklebt werden. Sie messen die Dehnung der Rotorblätter mit dem Ziel, frühzeitig Schädigungen zu erkennen“, erklärt Tobias Meyhöfer, einer der Gründer von FiberCheck.
Auf eine gute Ökobilanz setzt auch ein Dortmunder IT-Systemhaus, das seinen Kunden nicht nur technische Lösungen verkauft, sondern auch auf Stromverbrauch und CO2-Emissionen achtet. Das Unternehmen UPA Pack aus Rheinland-Pfalz handelt indes mit komplett recycelbaren Versandmaterialien aus Vollpappe wie Kantenschutzwinkel und Hülsen und will damit den Güterversand nachhaltiger gestalten.
Wie gutes Recourcenmanagement dagegen im medizinischen Bereich aussehen kann, zeigt Meditreat aus Hessen. Das Unternehmen bietet hoch spezialisierte Dienstleistungen im Klinikbereich wie Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Herzkathetern an. Aus dem Medizinsektor wurde ebenfalls das mittelständische Biotechnologieunternehmen CeGAT aus Baden-Württemberg ausgezeichnet, das ein zeitsparendes Untersuchungsverfahren zur Diagnose von Gendefekten entwickelt hat. Mit seinen Diagnose-Panels lassen sich für eine Krankheit in Betracht kommende Gene gleichzeitig entschlüsseln und auf bestimmte Krankheitsbilder hin untersuchen. CeGAT ist mit diesem Verfahren von einer Jury zum diesjährige Bundessieger der 16 Landes-Gründerchampions geworden.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet der IT-Bereich. Das Unternehmen Bitwig aus Berlin entwickelte eine Musikproduktionssoftware, die Einsteiger und Profis gleichermaßen nutzen können – auf allen gängigen Betriebssystemen. Ein niedersächsisches Unternehmen profiliert sich derweil durch ein Verfahren zur Sicherheitsüberprüfung von Apps. Und für den E-Commerce-Bereich bietet das Hamburger Unternehmen Channel Pilot Solutions eine Cloudlösung an, mit der Betreiber von Onlineshops ihre Produkte automatisiert auf Vertriebskanäle und Preisvergleichseiten listen können. Das Unternehmen More Success Marketing aus Lübeck berät indes Kunden unter anderem bei technologieorientierten Verkaufskonzepten.
Bei zwei weiteren Gründerchampions steht das Fahrrad im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit: Das Bremer Radhaus Schwachhausen produziert individuelle, ergonomisch ausgefeilte Manufakturräder, während das Thüringer Unternehmen Möve equipment & design eine Tretkurbel entwickelt hat, die die Effizienz des Radfahrens um mehr als die Hälfte erhöht.
Um Mobilität in einem weiteren Sinne geht es auch dem Gründerchampion des Saarlands, der in einem Franchisesystem ein maßgeschneidertes medizinisches Fitnesstraining vor allem für ältere Patienten anbietet. Und der Landessieger aus Mecklenburg-Vorpommern produziert Enzyme: Die Enzymicals AG Greifswald zeichnet nicht nur ein Team mit hohen Frauenanteil aus, sondern das Unternehmen belebt eine strukturschwache Region.
Auch die Brüder Maik und Stefan Berke aus Sachsen-Anhalt wollten in ihrer Heimatregion etwas bewegen und gründeten dazu das Unternehmen Harzadrenalin. Hier steht Erlebnistourismus auf dem Programm, so etwa Europas längste Doppelseilrutsche über der Rappbodetalsperre. Zu den ostdeutschen Landessiegern gehören auch die Brandenburger Monika und Ralf Schulze, die in Beeskow eine eigene Speiseeisherstellung gestartet haben.
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