: Eine Frage der Ehre für Wolfowitz
Der wegen der Gehaltsaffäre um seine Geliebte angeschlagene Weltbankpräsident verliert so langsam auch die Unterstützung der USA. Die fürchten um ihren Einfluss bei der Weltbank. Wolfowitz will aber nur zurücktreten, wenn seine Ehre gerettet wird
VON NICOLA LIEBERT
Offenbar sieht sich Paul Wolfowitz als Opfer einer gewaltigen Ungerechtigkeit. Anders ist kaum zu erklären, warum sich der Präsident der Weltbank so fest an seinen Posten klammert. Nachdem Anfang April bekannt wurde, dass er seiner Geliebten Shaha Riza einen neuen Job samt gigantischer Gehaltserhöhung zugeschanzt hatte, wurden massive Rücktrittsforderungen laut. Jetzt berät der Exekutivrat der Weltbank über eine Verurteilung. Eine Entscheidung wurde noch für gestern erwartet.
Wolfowitz, der die Vorwürfe stets „in hohem Maße unfair“ nannte, wehrt sich bis zur letzten Minute. Am Mittwoch ließ er über seinen Anwalt ausrichten, er werde „unter dieser ethischen Wolke nicht zurücktreten“. Soll es doch zur offenen Kampfabstimmung über seinen Rauswurf kommen. Doch davor scheut der 24-köpfige Exekutivrat zurück. Denn dann würden die USA bloßgestellt, die Wolfowitz bislang praktisch als Einzige noch unterstützt haben. Das wiederum könnte die Handlungsfähigkeit der Weltbank gefährden. Deshalb wird hinter den Kulissen nach einer Kompromisslösung gesucht, die es Wolfowitz ermöglicht, wenigstens etwas von seinem Gesicht zu wahren.
Demnach soll der 63-Jährige nicht zum Rücktritt gezwungen werden, sondern die Chance bekommen, freiwillig zu gehen. Die Weltbank solle einen Teil der Verantwortung für die Affäre Riza übernehmen – und wohl auch eine Abfindung zahlen, vermutlich ein Jahresgehalt von geschätzten 375.000 US-Dollar.
Ein interner Untersuchungsausschuss hatte zuvor Wolfowitz klares Fehlverhalten bescheinigt. Bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hatte er zwar korrekterweise dafür gesorgt, dass seine schon länger bei der Weltbank beschäftigte Geliebte einen neuen Posten erhielt. Doch er habe eindeutig gegen Weltbank-Richtlinien verstoßen, als er ihr bei ihrer Versetzung ins US-Außenministerium Gehaltserhöhungen um 45 Prozent auf zuletzt 193.000 Dollar verschaffte – zu zahlen von der Weltbank.
Dadurch wurden „das Ansehen und die Glaubwürdigkeit bei den Geldgebern und Kreditnehmern in Zweifel gezogen“, heißt es im Untersuchungsbericht. Die Weltbank-Mitarbeiter und die europäischen Staaten sind längst überzeugt, dass Wolfowitz nicht mehr die moralische Statur hat, um Armut und Korruption in der Welt glaubhaft zu bekämpfen.
Vorgestern erklärte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die schon länger seinen Rücktritt fordert, er solle nicht zum Afrika-Forum der Weltbank am Montag in Berlin kommen: „Ich würde es ihm nicht raten, wenn er noch im Amt ist.“ Wolfowitz wird heute in Potsdam zum Treffen der G-8-Finanzminister erwartet. Seinen geplanten Besuch bei einer Weltbankkonferenz gestern in Slowenien aber hat er bereits abgesagt.
Wolfowitz, zuvor stellvertretender US-Verteidigungsminister, Architekt des Irakkriegs und einer der bekanntesten amerikanischen Neokonservativen, konnte sich bislang voll auf die Unterstützung der US-Regierung verlassen. Präsident George Bush ist für seine bedingungslose Loyalität gegenüber seinen Unterstützern bekannt. Aber diese scheint nun an ihre diplomatischen Grenzen zu stoßen.
Traditionell haben die USA immer den Weltbankchef bestimmt. Doch zunehmend wird dieses nirgends verbriefte Recht hinterfragt. Je länger die US-Regierung nun an Wolfowitz festhält, desto mehr muss sie fürchten, ihren Anspruch auf die Besetzung des Postens zu verlieren. Das Weiße Haus sei zu dem Schluss gekommen, Wolfowitz könne nicht länger im Amt bleiben, berichtete gestern der Fernsehsender CNN.
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