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STADTGESPRÄCHOscar und der Gruselknast

Das Schicksal zweier Männer, die ihre Frauen töteten, hält Südafrika in Atem

Droht Oscar Pistorius im Gefängnis die Vergewaltigung? Ist Shrien Dewani noch normal? Südafrika steht ganz im Bann zweier schillernder Morde in zwei Liebesbeziehungen, die die jeweiligen Frauen das Leben kosteten.

Oscar Pistorius, der berühmte beinlose Spitzensportler, erschoss seine Freundin am Valentinstag 2013 nachts durch die Badezimmertür, ist dafür bereits des Totschlags schuldig gesprochen worden und wartet jetzt auf die Verkündung des Strafmaßes. Shrien Dewani, ein britischer Millionär indischer Abstammung, soll vor vier Jahren während seiner Flitterwochen in Kapstadt die Ermordung seiner frisch angetrauten Frau bei einem fingierten Raubüberfall in Auftrag gegeben haben und steht jetzt vor Gericht. Nachrichtensender liefern rund um die Uhr aus den Gerichtssälen in Pretoria und Kapstadt zünftige Einzelheiten aus dem Leben der Paare oder Mutmaßungen über den Geisteszustand der beiden Männer.

Dewani hat seine Depressionen jetzt endlich im Griff und ist nach Südafrika zurückgekommen, um vor Gericht zu stehen. Zum Auftakt gestand er, bisexuell zu sein – ein Paukenschlag. Schon einen Tag nach dem Mord an seiner Anni surfte er wieder durch Pornoseiten für Schwule. Das alles schlägt in Südafrika jeden Terroranschlag der Welt und liefert viel pikanten Gesprächsstoff.

Der schwule Dewani, da sind sich die vielen Experten unter den Laien einig, wollte aus seiner Ehe wieder heraus und ließ die Anni umbringen. „Das ist doch leicht in Südafrika, wo es Kriminelle und Waffen billig zu kaufen gibt“, lautet ein häufiger Spruch, der verdeutlicht, dass sich viele in Südafrika mit dieser Realität abgefunden haben. Der von Dewani angeblich angeheuerte „Hitman“ und seine Helfer brummen schon Gefängnisstrafen ab.

Aber der Dewani-Prozess hat erst begonnen, während der Pistorius-Prozess das Land schon seit Monaten in Atem hält. Schuldig gesprochen für die fahrlässige Tötung seiner Model-Freundin Reeva Steenkamp wurde Pistorius bereits im September. Diese Woche hörte er unter Tränen im Gericht in Pretoria seine Aussichten: entweder Gefängnis oder Hausarrest. Die Gefängnisstrafe kann bis zu 15 Jahre dauern oder aber auf Bewährung ausgesetzt werden.

Schon der milde Schuldspruch der Richterin, die einen Mord an Steenkamp ausschloss, erregte viele Südafrikaner. Jetzt gibt es eine weiteren Adrenalinstoß, denn angesichts der oft grausamen Haftbedingungen in Südafrikas Knästen stellt sich die Frage, ob das Sportidol gefängnistauglich ist. Da der einst als „Blade Runner“ verehrte Behindertensportler auf Prothesen geht, sei er wehrloses Opfer für die Gangs, die Südafrikas überfüllte Haftanstalten regieren, sagen seine Anwälte. Also eine Einzelzelle für Oscar? Das hat natürlich die Debatte angeheizt, warum sich bei schwarzen Tätern niemand um solche Sensibilitäten kümmert. Es gibt durchaus schwarze Behinderte, die Haftstrafen absitzen. Fakt ist: Die Kriminalität ist in Südafrika hoch, die Gefängnisse sind voll; Messerstechereien, Brutalität und Vergewaltigung sind Alltag hinter Gittern.

Oscar sei sowieso schon ein gebrochener Mann, von Schuld und Reue heimgesucht, so das Gutachten seiner Therapeutin. Aber der Staatsanwalt kämpft mit allen rhetorischen Mitteln für die härteste Strafe für den 27-jährigen Paralympics-Star und fordert 10 Jahre Haft. Viele Südafrikaner stimmen ihm zu, aber viele haben nach dieser Woche ihre Hoffnung auf harte Bestrafung aufgegeben.

„Es ist doch klar: Ein weißer Promi, der sich was Besseres erkaufen kann“, hört man. Vor allem von Schwarzen. Was nicht heißt, dass die Weißen milder gesinnt sind: „Nur ein Irrer ballert viermal in eine Tür, ohne angeblich zu wissen, dass seine Freundin dahintersitzt“, hört man oft über Oscar, den einstigen Helden.

Als diese Woche Reeva Steenkamps Kusine in den Zeugenstand trat und vor Tränen kaum sprechen konnte, war ihr das Mitgefühl des ganzen Landes sicher. Sie wolle Reevas Stimme sein, sagte sie. Oscar Pistorius habe ihre Familie zerstört. Er müsse büßen. Die Verteidigung sagt, er könne einer moralisch geschädigten Gesellschaft besser auf Bewährung gute Dienste tun. Die Öffentlichkeit will mehr: Gerechtigkeit.

MARTINA SCHWIKOWSKI aus Johannesburg

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